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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Arbeit aufzusehen.
    „Bitte?“, fragte Schäfer nach und begann seinen Kopf zu massieren. Er verfluchte sich und seine Unbeherrschtheit. Während Bergmann am Vorabend nach der ersten Flasche Pinot noir das Lokal verlassen hatte, war Schäfer nach ein paar Gläsern an der Bar noch in ein weiteres Lokal gegangen, wo er sich mit einem japanischen Geschäftsmann angefreundet hatte. Seine letzte Erinnerung war, dass sie beide die Ottakringer Straße hinaufgetorkelt waren und immer wieder „Lock ’n’ Loll, Lock and Loll!“ gebrüllt hatten. Zum Glück hatte er sich von seinem Kumpan abhalten lassen, eine angedrohte Anzeige wegen Lärmbelästigung gleich selbst aufzunehmen.
    „Dass Ihnen eine Frau ganz guttäte … da bin ich ganz Ihrer Meinung.“
    Schäfer schaute ihn einen Moment lang verständnislos an. Magensäure stieg in seinem Hals hoch, er verzog angewidert das Gesicht.
    „Ich weiß nicht, wie Sie auf so was kommen … aber ich brauche eine Frau, um den Rudenz noch mal zu vernehmen. Ich will eine Kollegin, die seiner Frau ähnlich sieht: jung, hübsch, die Perlenohrstecker-Hermes-Fraktion, wie sich Kovacs ausdrückt …“
    „Wie wär’s mit der Gattin vom Mugabe?“
    „Mein Gott, Bergmann, Sie sind geschmacklos!“
    „Bei der Forensik arbeitet eine … Sofia irgendwas … aber ob die eine Vernehmung führen kann …“
    „Haben Sie eine Nummer?“
    Bergmann griff zum Telefon, wählte und ließ sich verbinden. Dann reichte er Schäfer den Hörer über den Tisch. Sofia Insam. Schäfer erklärte ihr kurz sein Anliegen und fragte sie, ob sie am Nachmittag vorbeikommen könne, um sich mit ihnen auf die Vernehmung vorzubereiten. Er hörte sie mit einem Kollegen im Hintergrund sprechen, dann sagte sie zu.
    „Was wird das?“, wollte Bergmann wissen.
    „Rudenz … ich will wissen, ob er uns was verheimlicht … dafür nehmen wir ihn uns jetzt jeden Tag zweimal vor… und zur Abwechslung möchte ich wissen, wie er auf eine Frau reagiert, die seiner ähnlich sieht und die ihm eine Stunde lang Vorhaltungen macht … . rufen Sie bei der Justizwache an und bestellen Sie ihn für vier Uhr her. Funktioniert die Videoaufzeichnung eigentlich wieder?“
    „Ja, habe ich mich drum gekümmert.“ Bergmann griff wieder zum Telefon.
    Zu Mittag erhielt Schäfer ein Mail von Kovacs mit dem Phantombild des Schweizers. War der Sozialarbeiter vom Karlsplatz also tatsächlich vorbeigekommen. Er schickte das Bild an die Pressestelle mit der Bitte, alle eingehenden Informationen direkt an ihn – und nur an ihn – weiterzuleiten.
    Kurz vor drei ging Schäfer auf die Toilette. Als er sich das Gesicht mit kaltem Wasser wusch, wurde ihm plötzlich schwindlig und er musste sich auf den metallenen Abfalleimer neben dem Waschbecken setzen. Was war das für ein Anfall? Er begann zu zittern, klammerte sich mit den Händen ans weiße Email, ein Stechen in der Brust, ein pochendes Glühen im Nacken, kalter Schweiß, dazu der Drang, gleichzeitig zu kotzen und den Darm zu entleeren. Er zwang sich aufzustehen, torkelte in eine der Kabinen und schloss sich ein. Wie lang, konnte er danach nicht sagen.
    „Geht’s Ihnen nicht gut?“, fragte Bergmann besorgt, als Schäfer ins Büro zurückkam.
    „Ich brauche frische Luft“, stammelte Schäfer und nahm seinen Mantel vom Haken.
    Auf dem Weg nach unten biss er die Zähne zusammen, um der Panik Herr zu werden, die sich seiner bemächtig hatte. Verdammt, er war zu jung, um draufzugehen; ein bisschen Auslauf, den Kreislauf ankurbeln, dann wird das schon wieder. Doch als er die Eingangstür aufdrückte und in die Welt hinaussah, drehte er augenblicklich um und nahm den Fahrstuhl in die Tiefgarage. Er setzte sich in seinen Dienstwagen, drehte die Heizung auf und zündete sich eine Zigarette an, die er nach einem Zug angeekelt aus dem Fenster warf. Er zitterte immer noch, die Vorstellung, sich auch nur wenige Minuten vom Straßenverkehr gefangen nehmen zu lassen, der Horror, der Horror, doch hier würde es auch nicht besser werden, er startete den Wagen, fuhr aus der Tiefgarage und reihte sich in den Verkehr ein. Raus aus der Stadt, irgendwohin, wo er niemanden träfe, doch nur nicht nach Hause, nein, in den Wald. Er schaltete Blaulicht und Folgetonhorn ein, konnte sich jedoch nicht überwinden, schneller als vierzig zu fahren, geschweige denn, in eine rote Ampel einzufahren, ein groteskes Bild bot er, ein Bremsfahrzeug ohne erkennbare Begründung, ein angsterfüllter Entschleuniger, der sich

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