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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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dennoch so schnell wie möglich weg von der Straße wünschte.
    Eine halbe Stunde später stellte er den Wagen in Mauerbach am Ende einer Zufahrtsstraße ab, die in einen geschotterten Forstweg überging, abgesperrt mit einem Schranken. Er stieg aus und marschierte los. Über den Forstweg zwischen den Wiesen hindurch, bis er zu seiner Linken einen schmalen Pfad sah, der auf eine Anhöhe führte. Bald kam er ins Schwitzen, der Weg wurde steiler und seine Schuhe fanden auf dem nassen Laub keinen Halt. Oben angelangt, blieb er nur kurz stehen und folgte dem Pfad weiter in den Wald hinein. Da war was. In seinem Kopf. Eine Botschaft, die jemand seinem Gegenüber zuwerfen wollte, doch die Schlucht zwischen ihnen war zu breit und die Botschaft fiel in den Abgrund. In Gedanken ging er den gestrigen Tag noch einmal durch, während die Buchen um ihn dichter und der Himmel dunkler wurde. Er war bei Frau Sylvia gesessen, was hatte sie ihm erzählt? Was hatte er gelesen? Dann mit Bergmann, dann der Japaner, worüber hatten sie gesprochen? Womöglich über den Fall, vielleicht hatte ihm der Asiate eine neue Sichtweise aufgetan, einen entscheidenden Hinweis geliefert; unwahrscheinlich. Nachdem er über eine Stunde gegangen war, musste er sich eingestehen, dass er sich verirrt hatte. Der Pfad bestand nur noch aus kaum sichtbaren Trittspuren, die wohl ein paar Rehe oder Wildschweine im Raureif hinterlassen hatten. Er kehrte um und versuchte sich den Hinweg in Erinnerung zu rufen. Doch mit einem Mal sah alles gleich aus, er war sich sicher, an einem Holzstoß schon vorbeigekommen zu sein, und bald darauf war da wieder einer, der dem ersten zum Verwechseln ähnlich sah. Sein Hemd war nass und er begann zu frieren. Eine halbe Stunde würde er noch suchen, dann müsste er wohl Bergmann anrufen, um ihn hier herauszuholen. Schwindlig war ihm auch, bis auf das halbe Mittagessen hatte er nichts gegessen, und obwohl er anfangs versuchte, sie lächerlich zu machen, wurde seine Angst, die sich zu Beginn der Wanderung besänftigt hatte, nun immer größer. Erschöpft setzte er sich auf einen Baumstrunk und wollte sein Telefon herausnehmen. Er hatte es nicht dabei. Kopfschüttelnd stand er auf und machte sich auf, eine Anhöhe zu suchen, wo er sich mithilfe der Stadtlichter zurechtfinden konnte. Doch mittlerweile war es so dunkel, dass er jegliche Orientierung verloren hatte. Panisch stapfte er durchs Unterholz, stolperte immer wieder und zerriss sich seine Hosen an einer Brombeerstaude. Mindestens eine Stunde musste er so durch den Wald geirrt sein, als er plötzlich auf einer Lichtung stand und am anderen Ende ein Forsthaus sah. Er ging hin, rüttelte an der verschlossenen Tür und setzte sich auf die Holzbank vor dem Haus. Hier also soll es enden, fiel ihm eine Gedichtzeile von Rilke ein, dann lachte er sich aus wegen seiner Weinerlichkeit, seines peinlichen Selbstmitleids, aus dem er seit Wochen schon die trübe Brühe trank, die ihn zu einem nichtsnutzigen Jammerlappen werden ließ, sie lachten bestimmt schon über ihn, hämisch hinter seinem Rücken, weil er nichts mehr weiterbrachte, seit Tirol nicht mehr fähig war, einen Fall in die Hand zu nehmen und ihn mannhaft und entschlossen abzuschließen. Ordnung schaffen, hatte sein Therapeut gemeint, einen Schachabend, ha, er konnte nicht einmal Schach spielen, was konnte er überhaupt, zu einer jämmerlichen Figur war er verkommen, der Major ein Titel mit baldigem Ablaufdatum, faulig in der Ecke, Ermittler zum halben Preis, er sollte sich eine Kugel in den Kopf jagen. Er nahm seine Waffe heraus und legte sie sich in den Schoß; nur für einen Moment die Augen schließen, dann ein Fenster einschlagen, das Schloss aufschießen, vor Erschöpfung schlief er ein. Das Geräusch knackender Äste weckte ihn, dann hörte er ein knurrendes Fauchen, er blickte sich um und sah einen Wolfshund auf sich zustürzen. Benommen nahm er seine Waffe, zielte und drückte dreimal ab. Der Hund brach zusammen und blieb tot vor ihm liegen. Im nächsten Augenblick sah Schäfer einen Mann über die Lichtung laufen, über der Schulter ein Jagdgewehr. Er stand auf, nahm seinen Dienstausweis heraus und hielt ihn gemeinsam mit seiner Waffe dem Mann entgegen.
    „Ich bin Polizist“, rief er mit zitternder Stimme, „legen Sie das Gewehr ab!“

12
    „Ich brauche einen Hund“, sagte Schäfer nach Betreten des Büros und blieb an Bergmanns Schreibtisch stehen.
    „Vor drei Tagen brauchen Sie eine Frau, heute einen Hund …

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