Ohnmachtspiele
ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Therapeut der richtige Mann für Sie ist.“
„Papperlapapp“, erwiderte Schäfer und überlegte einen Moment, ob er Bergmann von dem Vorfall im Wald berichten sollte. Dann sah er auf seinem Bildschirm den Zettel hängen: eine Kopie aus einem Märchenbuch mit einer Illustration von Hänsel und Gretel vor dem Hexenhaus. Zudem hatten ihm seine lustigen Kollegen eine Dose mit Brotkrumen hingestellt. Nun gut, nachdem Schäfer zwei Tage zu Hause geblieben war, um seine Erkältung auszukurieren, war es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Geschichte herumgesprochen hatte. Bergmann hatte inzwischen begonnen, verhalten vor sich hin zu kichern.
„Ich weiß nicht, was da lustig sein soll“, meinte Schäfer eingeschnappt, „zuerst erfriere ich fast, dann fällt ein Wolf über mich her, dann will mich ein Jäger erschießen …“
„Na ja … solche Sachen passieren aber immer nur Ihnen.“
„Ja ja … wie heißt der Züchter von unserer Staffel, der da draußen …?“
„Wenn Sie mit draußen Weidling meinen, dann ist es wohl der Grafensteiner. Ich suche Ihnen die Nummer raus.“
„Das ist der Alte mit dem Rübezahlbart, oder?“
„Genau der.“ Bergmann reichte ihm einen Merkzettel mit der Nummer über den Tisch.
„Danke“, sagte Schäfer und steckte den Zettel in die Innentasche seines Jacketts. „Wie ist eigentlich die Befragung vom Rudenz gelaufen?“
„Er hat tatsächlich die Beherrschung verloren … das mit der Insam war eine gute Idee, so penetrant, wie die sein kann … gestanden hat er allerdings nicht …“
„Was hat seine Freundin gesagt … diese Maria?“
„Eins zu sein, was Rudenz ausgesagt hat. Er ist um kurz nach zehn bei ihr aufgetaucht … aufgebracht nach dem Streit mit seiner Frau … aber so, wie er über sie geredet hat, hätte er sie zwar gern umgebracht, aber sie war wohl noch am Leben … angerufen hat sie allerdings nicht, während er bei seiner Freundin war … den Gefallen hat sie ihm nicht getan … oder sie war schon tot …“
„Und das mit dem möglichen Geliebten seiner Frau?“
„Nichts … unmöglich, das hätte er gemerkt, hat er gemeint … aber da ist er nicht der Erste, von dem ich so was höre …“
„Der Obduktionsbericht, ist der jetzt fertig?“
„Hier.“ Bergmann reichte eine Flügelmappe über den Schreibtisch.
„Was steht drin?“
„Eine natürliche Todesursache ist möglich, allerdings unwahrscheinlich … genauso wie ein Selbstmord … festlegen wollen sich die Herren aber auch nicht …“
„Das reicht nicht“, meinte Schäfer und sah aus dem Fenster.
„Nein“, stimmte ihm Bergmann zu, „spätestens morgen ist er wieder draußen.“
„Hm … soll mir recht sein … sagen Sie: Ist Ihnen das schon einmal passiert, dass Sie irgendwo einen Gedanken im Kopf spüren, und dann will der irgendwo hinhüpfen, wo Sie ihn erkennen können, also wie über eine Schlucht, aber dann stürzt er immer wieder ab … nervend ist das …“
„Hm … klingt so, als bräuchten Sie noch etwas, um eine Brücke zu bauen.“
Schäfer sah über den Schreibtisch hinüber und meinte: „Oder in die Schlucht hinuntersteigen! … Ich fahre jetzt zum Grafensteiner.“
Er stand auf, zog seine Jacke an und blieb im Raum stehen, als ob er noch etwas vergessen hätte.
„Lassen Sie Ihre Waffe lieber hier“, meinte Bergmann grinsend, was Schäfer mit einem Murren kommentierte. Auf dem Gang hatte irgendein Scherzbold ein Poster von einem Wolfshund aufgehängt und darunter „Hast du mich gesehen?“ geschrieben. Schäfer riss das Bild von der Wand, zerknüllte es und warf es in den nächsten Papierkorb.
Als er aus der Tiefgarage fuhr, rief ihn Bergmann an.
„Hab ich vorhin vergessen: Die Insam hat angerufen und wollte Sie sprechen.“
„Ach … ich rufe sie später an. Danke.“
Bevor er stadtauswärts fuhr, blieb er bei einer Bank stehen und hob zweitausend Euro ab. Er hatte keine Ahnung, was ein neuer Hund kostete, doch wollte er den Jäger auf keinen Fall mit irgendeinem alten Bastard entschädigen. Er fuhr Richtung Höhenstraße und entschied sich an der Stadtgrenze, einen Umweg über den Exelberg zu machen. Auf dem Parkplatz neben dem Sendeturm stellte er den Wagen ab, stieg über einen Schranken und ging ein Stück die Forststraße in den Wald hinein. Ganz in der Nähe hatte ein Forstarbeiter den Schweizer gefunden. Unter einer alten Eiche, zugedeckt mit Ästen. Gestorben war er woanders, das hatten die
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