Ohnmachtspiele
Spurensicherung und der Gerichtsmediziner mit Bestimmtheit sagen können. Also war er vielleicht bei irgendwem zu Hause gestorben und derjenige hatte ihn dann hierher verfrachtet. Ein anderer Fixer mit einem Wagen, der diese Mühe auf sich nimmt? Kaum. Eher jemand, der mit dem Toten auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden will. Er ging zum Wagen zurück und fuhr weiter nach Weidling, wo er einen Fußgänger nach der Adresse des Hundezüchters fragte. Dass er die Nummer des Mannes in der Tasche hatte, war ihm inzwischen entfallen.
Grafensteiner, ein riesenhafter Mann um die siebzig, mit weißen Haaren, die wie Federn von seinem Kopf abstanden, und einem Bart wie ein Strauch, stand inmitten eines riesigen eingezäunten Geheges und schien gerade eine Bracke abzurichten. Als er Schäfer aus dem Auto steigen sah, machte er keinerlei Anstalten, diesen zu begrüßen. Schäfer trat an den Zaun und beobachtete den alten Mann eine Weile.
„Ich bin Major Schäfer von der Kriminalpolizei“, rief er Grafensteiner schließlich zu, „ich komme wegen einem Hund.“
„Ah, Hänsel.“ Der Mann lachte laut und kam auf Schäfer zu.
„Bergmann, du Schwein“, fluchte Schäfer in sich hinein, „nichts Besseres zu tun, als dem Rübezahl gleich alles zu petzen.“
„Na dann brauche ich Ihnen wohl nicht mehr erzählen, worum es geht … was haben Sie denn?“
Grafensteiner schaute ihn abschätzig an.
„Supermarkt bin ich keiner“, meinte er mürrisch und drehte sich um, was Schäfer dahingehend deutete, dass er ihm folgen solle. Sie gingen ums Haus herum, hinter dem sich mehrere große Zwinger befanden.
„Schöne Brandlbracken“, sagte er und deutete auf drei Welpen, die ihm entgegenwedelten, „aber die sind noch zu jung.“ Sie machten ein paar Schritte zum nächsten Zwinger. „Zwei Appenzeller Sennenhunde … da habe ich zwei Retriever-Weibchen – die sind aber fast sicher vergeben – und da gibt’s einen schönen Wurf Setter, die werden ganz zutraulich.“
„Was ist mit dem da hinten?“ Schäfer deutete auf einen Hund, der außerhalb der Zwinger vor sich hin döste.
„Das ist eine Sie … eine schöne Leonberger, gerade ein Jahr alt, sehr gescheit … aber leider blind auf einem Aug.“
„Die gefällt mir.“ Schäfer ging auf die Hündin zu und hockte sich neben sie.
„Na ja … von mir aus. Wenn es nicht für den Dienst ist.“
„Was kostet sie?“
„Achthundert, Sheriffpreis“, antwortete Grafensteiner gönnerhaft.
Schäfer nahm seine Geldtasche heraus, zählte acht Hunderter ab und gab sie dem Züchter.
„Was ist mit Impfungen und dem Zeugs?“
„Alles erledigt“, winkte Grafensteiner ab und begann heiser zu lachen, „aber wenn du willst, lege ich eine kugelsichere Weste drauf.“ Er ging in einen Holzverschlag und kam mit einem Stück Seil wieder, das er der Hündin ans Halsband knotete. Dann gab er Schäfer das lose Ende in die Hand, klopfte ihm lachend auf die Schulter, drehte sich um und ging zurück zum Gehege.
Schäfer und die Hündin sahen sich einen Augenblick prüfend an, dann zog er an der Leine und sie folgte ihm zum Auto.
Er fuhr über die Höhenstraße zurück in den vierzehnten Bezirk und von dort nach Mauerbach. Als er vor dem Haus des Jägers den Motor abstellte, konnte er sich lange nicht überwinden auszusteigen. Schließlich war es die Hündin, die ihn mit einem kurzen Bellen darauf aufmerksam machte, dass etwas passieren sollte. Er stieg aus, öffnete die Hintertür und ließ seine Begleiterin heraus.
Mit der Leine in der Hand ging er zum Gartentor und läutete. Als Schäfer schon wieder umdrehen wollte, ging die Haustür auf. Der Mann sah ihn einen Augenblick an und kam dann langsam auf sie zu. Er öffnete das Gartentor und blieb mit ausdrucksloser Miene vor Schäfer stehen.
„Ich habe mir gedacht …“, begann Schäfer zögerlich und wusste nicht weiter, als die Hündin ihm zu Hilfe kam und an der Hand des Mannes zu lecken begann.
„Ist das Ihre?“ Er tätschelte der Hündin den Kopf.
„Eigentlich soll sie Ihnen gehören … ich meine … einen Hund kann man nicht so einfach ersetzen, aber …“
„Eine Leonberger“, stellte er fest und trat zur Seite, „kommen Sie rein.“
Schäfer folgte ihm ins Haus, das ihn umgehend an seinen Großvater erinnerte: ein dunkler, holzgetäfelter Vorraum mit kleinen Rehbockgeweihen als Garderobe. Eine schlichte Küche mit einem alten gusseisernen Gasherd, wie sie Schäfer eigentlich nur aus französischen Filmen
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