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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Krankenstand, quasi rekonvaleszent, psychisch instabil, wie verschiedene Vorfälle in jüngster Zeit belegten – nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Fall dieser Tragweite, mit dieser Aufmerksamkeit, wo es einen kühlen Kopf zu bewahren galt, auch diplomatisches Geschick im Umgang mit den Medien, die Fähigkeit, Abstand zu gewinnen, die Bereitschaft, bei entsprechender Beweislage die Theorie eines Serientäters fallenzulassen, blablabla, ha, er würde schon einen Weg finden, auch aus der zweiten Reihe heraus, da kannten sie ihn schlecht.
    Wie es mit dem Polizeipräsidenten und Oberst Haidinger abgesprochen war, stellte Schäfer bis zum Abend eine Auflistung des Personals, der Ausrüstung und des voraussichtlichen Zeitaufwands zusammen, den er für nötig erachtete. Er wusste, dass nicht mehr als die Hälfte seiner Liste genehmigt werden würde – also trug er gleich das Doppelte an: zehn Beamte, um weit reichende Recherchen und Befragungen durchzuführen, vier Mann, um gegebenenfalls den Schutz potenzieller Opfer zu gewährleisten, einen Gerichtspsychiater, um ihnen bei der Erstellung eines Täterprofils zu helfen, mindestens zwei zusätzliche Forensiker, um die alten Fälle noch einmal hinsichtlich der neuen Verdachtsmomente zu untersuchen, unbeschränkte Überstunden. Als er fertig war, druckte er die Liste aus und gab sie Bergmann.
    „Den Polizeischutz werden Sie selbst brauchen, wenn Mugabe das sieht …“
    „Das geht doch auch per Mail … cc an den Bürgermeister … der will schließlich auch informiert sein …“
    „Ich muss sagen: Jetzt fängt der Fall endlich an, mir zu gefallen.“
    „Da bin ich aber froh“, erwiderte Schäfer und schnalzte mit der Zunge, „dann können Sie ja gleich damit anfangen, Schreyer zu unterstützen und mit ihm alle Fahrzeughalter zu kontaktieren, die im Raum Wien wohnen und einen schwarzen Range Rover fahren … fragen Sie nach, wer seinen Wagen längere Zeit unbeaufsichtigt gelassen hat, ob irgendwer einen groben Parkschaden gehabt hat, wer den Wagen in letzter Zeit in eine Werkstatt gebracht hat und so weiter… und konzentrieren Sie sich auf Betriebe mit wenig Angestellten … sonst hätte uns bestimmt schon jemand etwas über den Wagen oder den Schweizer gesteckt … das hängt zusammen, da bin ich mir sicher … ich gehe inzwischen zu Bruckner hinüber … also: ran an den Hörer!“
    „Sehr schön … Callcenter Bergmann …“
    „Genau … hier, für die Stimme.“ Schäfer warf seinem Assistenten ein Hustenzuckerl zu, das bereits eine Ewigkeit neben seinem Bildschirm gelegen war.

26
    Schäfer hatte kaum geschlafen. Die hektische Stimmung, die nach der Pressekonferenz entstanden war, hatte alle beteiligten Kollegen angesteckt und ihn selbst bis ins Bett begleitet. Nichts Neues bei einem Fall dieser Größenordnung. Wenn man einmal aus dem Schützengraben draußen war, hieß es laufen, ducken, laufen, und geschlafen wird nach der Schlacht. Er stand auf und setzte sich in die Küche. Was sollten sie zuerst machen? Wer war für welche Aufgabe am besten geeignet? Gut, diese administrativen und personellen Dinge hatten ihn immer schon leicht überfordert – dafür waren Bruckner und Bergmann besser geeignet. Und mit Kovacs hatte er zudem einen Jungspund im Team, dem er mit einem geschlossenen und einem halboffenen Auge vertraute. Sie rührte etwas in ihm an, diese drahtige Revierinspektorin. Eine Saite, die nur selten schwang. Die vielleicht ein leises Echo an ihn selbst in diesem Alter ertönen ließ. Diese Erinnerung brachte Sehnsucht mit sich; verklärte Gedanken an wilde Zeiten in scheinbarer Unverletzlichkeit; aber auch den plötzlichen Wunsch, sie nicht völlig verblassen zu lassen. Und vielleicht konnte er sich diesen Wunsch erfüllen, indem er Kovacs unter seine Fittiche nahm; ihr beizeiten die Flügel stutzte und gleichzeitig half, die Angst vor den Höhenflügen nahm, die man mitunter unternehmen musste, um sich vom Bodenpersonal der Kriminalisten abzuheben. Mit Bergmann war das nie möglich gewesen. Sie ergänzten sich nicht wie Kapitel, die aufeinanderfolgten, von anderen Zeiten erzählten und doch im selben Buch zusammenfanden; sie waren zwei Bücher zu einem Thema, verschieden im Stil, in Tempo und Perspektive, doch gehörten sie derselben Geschichte an und hatten ihren angestammten Platz nebeneinander im Regal. Beizeiten musste er seinem Kollegen wieder einmal seine Zuneigung ausdrücken, dachte Schäfer; wenn das alles vorbei ist mit

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