Ohnmachtspiele
steht, dass die unbeirrte Arbeit eines erfahrenen Kriminalisten Beweise an den Tag gebracht hat, die für einen oder mehrere Serientäter sprechen, die bereits vier unschuldige Menschen ermordet haben. Angesichts dieser bedrohlichen Situation ist der Innenminister gefordert, ein Machtwort zu sprechen. Die Sicherheit der Menschen in diesem Land darf nicht irgendwelchen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Handeln Sie, Herr Minister! Bevor der Verbrecher eine weitere Karte zieht …
25
„Was wissen Sie über diese Fälle?“, herrschte der Polizeipräsident ihn an und warf ihm die Tageszeitung über den Schreibtisch hinweg in den Schoß. Schäfer sah sich das Titelblatt und die Schlagzeile an, die er natürlich schon kannte, weil er auf dem Weg zur Arbeit bei einem Kiosk stehen geblieben war. Gerhard hatte den Bericht zum Glück so weit von der Wahrheit entfernt, dass Schäfers Einbruch bei Rudenz ebenso wenig erwähnt wurde wie seine eigenmächtigen Ermittlungen. Doch allein die Schlagzeile: Serienmörder in Wien? Möglicherweise schon vier Opfer des Kartenkillers! Da hatte sein Bekannter ganz schön dick aufgetragen. Damit hatte Schäfer gerechnet, doch jetzt – wo sein Verdacht schwarz auf weiß ein paar Millionen Menschen publik gemacht worden war, wo jeder Radiosender die Nachricht aufgegriffen hatte, wo die Medien die Pressestelle, den Polizeipräsidenten und den Innenminister mit Anfragen bombardierten, wo eigentlich niemand lang zu überlegen brauchte, woher die größte Zeitung des Landes von dieser Geschichte erfahren hatte – jetzt fühlte er sich wie auf einem mit Sprengstoff gefüllten Stuhl, der bei einer einzigen falschen Bewegung in die Luft flöge.
„Ich weiß nur, was in den Ermittlungsakten steht“, erwiderte Schäfer und schluckte. „Ich habe Oberst Kamp und Staatsanwältin Wörner auf besagten Zusammenhang hingewiesen … ein Ermittlungsverfahren wurde berechtigterweise ausgeschlossen, weil uns zu wenig Indizien vorliegen …“
„Und welcher Idiot gibt diesen Unsinn an die Presse weiter?“
„Das entzieht sich meiner Kenntnis …“
„Ich habe mich über Sie erkundigt, Major“, fuhr der Polizeipräsident fort und sah Schäfer wütend an. „Dass Sie bei so vielen Suspendierungen immer noch im Amt sind … wem haben Sie das zu verdanken?“
„Wahrscheinlich dem Umstand, dass der Erfolg der Ermittlungen in letzter Konsequenz meine Mittel gerechtfertigt hat.“
Der Polizeipräsident sah ihn verständnislos an. „Oberst Kamp und seine Sozialistenbrüder“, murmelte er vor sich hin, „das war klar, dass ihr euch den Erfordernissen einer modernen Polizeistruktur nicht anpassen könnt …“
„Was unsere Arbeitsmethoden und Ergebnisse betrifft“, konnte Schäfer nicht umhin, seinen Vorgesetzten zu verteidigen, „gehört Oberst Kamp …“
„Schluss mit den Lobhudeleien und dem gegenseitigen Schulterklopfen. Ich brauche Polizisten, auf die ich mich verlassen kann … die einer gemeinsamen Linie folgen …“
„Die Aufklärung von Verbrechen ist meiner Meinung nach eine ganz gute Linie …“
„Hören Sie auf mit Ihren Haarspaltereien … und sagen Sie mir, wie Sie diese Sache aus der Welt schaffen werden … “
„Indem wir der Sache nachgehen?“
„Wer die Presse informiert hat, dem werden wir nachgehen … und glauben Sie mir: Wenn das aus Ihrem Ressort kommt, dann rollen Köpfe …“
„Das verstehe ich. Aber wenn sich ein paar Beamte den Ermittlungen widmeten, wäre das trotzdem nicht schlecht, da …“
„Natürlich … wie wäre es denn mit einer Sonderkommission, der Sie vorstehen… nachdem Sie ein paar Wochen im Krankenstand waren wegen … weswegen waren Sie krankgeschrieben, Major Schäfer?“
„Psychovegetative Erschöpfungszustände … auch Burnout genannt …“
„Ja, genau … psychische Erschöpfung … Sie gehen zurzeit auch zu einem Therapeuten, oder?“
„Ich erhalte medizinische Unterstützung, ja, aber das ist …“
„Ja … also, wenn ich das richtig sehe, konnten Sie Ihren Dienst nicht versehen, weil Sie, sagen wir mal, nervlich nicht in der Lage waren, die Ihnen gestellten Anforderungen zu erfüllen …“
„Wird das jetzt ein medizinisches Gutachten?“, fragte Schäfer schroff.
„Ich versuche nur eine objektive Einschätzung der Sachlage zu gewinnen“, erwiderte der Polizeipräsident süffisant und streckte seine Hände von sich, als wollte er das Ergebnis der letzten Maniküre begutachten. „Also nochmals zum besseren
Weitere Kostenlose Bücher