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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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diesem Wahnsinnigen, der jetzt, der jetzt was tat? Wo er aus den Abendnachrichten wusste, dass die Jagd offiziell eröffnet war. Oder waren es sogar zwei, wie bei einem richtigen Spiel? Und die Medien: So hilfreich sie ihm gewesen waren, so sehr nervte ihn jetzt schon der Druck, den sie auf das Team ausüben würden. Kann es jeden treffen? So schützen Sie sich vor dem Serienkiller. Und was tut eigentlich unsere Polizei? Die Geister, die ich rief, dachte er und zündete sich eine weitere Zigarette an. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Bruckner als Gruppenleiter und Bollwerk vor ihm aufgebaut war. Weihnachten stand außerdem vor der Tür. Er selbst hätte nichts dagegen, über die Feiertage zu arbeiten, sich wohlbehütet ins warme Büro zu verziehen und den Sturm vorüberziehen zu lassen. Doch bei der Einteilung der Mannschaft würden sie sehr wohl auf die jeweiligen Wünsche Rücksicht nehmen müssen. Wer eine Familie hatte, sollte höchstens für den absoluten Notfall eingesetzt werden – im Fall eines weiteren Mordes, bei einer Alarmfahndung oder bei einer Verhaftung. Serienmörder waren ja oft genug biedere Familienmenschen, denen man derartige Gräueltaten niemals zutraute. Ich hätte mir nie gedacht und so. Vielleicht betraf das auch seinen Täter. Vielleicht gab es sogar eine Art Weihnachtsfrieden – ähnlich den Zonen beim Räuber-und-Gendarm-Spiel, wo man vorübergehend unantastbar ist. Liebes Christkind, ich wünsche mir … gegen drei schlief er auf dem Sofa ein, und als er vier Stunden später erwachte, hatte er ein brennendes Kratzen im Hals. Hoffentlich nicht die Grippe, dachte er. Die hätte vor sechs Wochen zuschlagen sollen, wo sie ihm in seinem stumpfen Dahinvegetieren wie eine freundliche Abwechslung vorgekommen wäre. Nicht jetzt, wo er all seine Kräfte brauchte. Er warf die Decke zurück, trottete benommen ins Bad und suchte nach entzündungshemmenden Tabletten. Nachdem er eine Kanne Tee getrunken und zwei Marmeladebrote gegessen hatte, fühlte er sich ein wenig besser. Zum Glück war die Morgenbesprechung erst für neun Uhr anberaumt. So konnte er sich in Ruhe rasieren, duschen und nebenbei eine der CDs hören, die er sich vor kurzem gekauft hatte.
    Vorläufig bestand die Gruppe neben Bruckner und Schäfer aus Bergmann, Kovacs, Schreyer, Strasser und zwei Uniformierten, die auf Abruf bereitstanden. Sie hatten sich schon eine Viertelstunde vorher im Besprechungszimmer versammelt und darüber diskutiert, wie man am besten vorzugehen hätte. Als Bruckner gemeinsam mit Oberst Haidinger den Raum betrat, verstummten sie. Komisch, dachte Schäfer, während er den Computer hochfuhr und den Beamer vorbereitete. Erst halten sie mich für durchgedreht. Und dann schaut es so aus, als könnten sie es gar nicht erwarten, an diesem Fall zu arbeiten. Na ja, wahrscheinlich hatten auch sie nichts dagegen, sich irgendwo anhalten zu können; jemanden zu haben, der ihnen sagte, worum es eigentlich ging, der ihnen die Regeln erklärte und sagte, was zu tun war.
    „Bevor Kollege Bruckner das Kommando übernimmt, möchte ich euch mit allen Details vertraut machen“, begann er, „damit wir alle vom gleichen Stand ausgehen … es gibt auch eine ausführliche Zusammenfassung, die ich auf den Server gestellt habe. Zugangsdaten bekommt ihr nachher. Also: Der Fall Sonja Ziermann …“
    Die Besprechung dauerte bis in den frühen Nachmittag und wurde nur für eine kurze Mittagspause und ein paar Rauchpausen unterbrochen. Und schon nach drei Stunden wurde Schäfer bewusst, dass sie für die zu bewältigenden Aufgaben wesentlich mehr Personal brauchen würden. Die Fundorte der Leichen mussten neu bewertet und in einen möglichen Zusammenhang gestellt werden, die Drogen- und Stricherszene musste eingehend befragt werden, Föhring sollte die Obduktionsberichte unter den neuen Gesichtspunkten durchgehen, jemand musste international vergleichbare Fälle recherchieren und mit den zuständigen Beamten Kontakt aufnehmen und und und. Als die Konzentration der Anwesenden nachließ, machte Bruckner Schluss und legte fest, dass sie sich ab jetzt jeden Tag treffen würden – ermittlungsbedingte Verhinderungen natürlich ausgenommen. Die Einteilung für die Weihnachtsfeiertage hatte er noch aufgeschoben. Dass der Fall binnen zwei Wochen abgeschlossen wäre, war wenig wahrscheinlich, doch wollte er die Moral des Teams nicht schon von Beginn an strapazieren, vermutete Schäfer. Sie würden noch genug zu leiden haben, da war

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