Ohrenzeugen
berührt.
»Gleich kommt der Krankenwagen«, informierte Lisa und legte beruhigend ihre Hand auf Herberts gesund aussehenden Arm. Sie ignorierte den stechenden Geruch, die Mischung aus Schweiß, Blut und Alkohol, die von dem Geprügelten aufstieg.
Herbert nickte und schluckte.
»Und Sie haben gar keine Idee, wer das gewesen sein könnte? Überhaupt keine?«, forschte Heiko weiter. Herbert schüttelte den Kopf. Keine Ahnung.
Sie hatten Winterbach ins Krankenhaus begleitet und saßen nun, während er behandelt wurde, in der Cafeteria des Crailsheimer Kreiskrankenhauses, das seit Kurzem aus Imagegründen »Klinikum Crailsheim« hieß.
Heiko hasste die Klinikatmosphäre, sie erinnerte ihn immer an den Tod seines Opas.
Er hatte einen Kaffee und einen Latte Macchiato sowie zwei Stücke Käsekuchen geholt.
»Wer war das bloß?«, fragte Lisa und rührte in ihrem Latte Macchiato.
Heiko machte sein übliches »Hm« und dachte nach.
»Umbringen wollte der Angreifer ihn wohl nicht. Vielleicht berauben? Vielleicht ist rumgegangen, dass der Herbert was geerbt hat.«
»Aber dass er das Geld noch nicht hat, müssten die Leute doch auch wissen«, versetzte Lisa.
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit!«, meinte Heiko und hob nachdenklich seinen Zeigefinger. »Erinnerst du dich an gestern Abend? Als Silke Weidner erzählt hat, Herbert hätte sie verdroschen? Für mich sieht das hier so aus, als ob…«
Lisa sog scharf die Luft ein. »Du meinst, Marco ist auf ihn losgegangen? Wegen Silke?«
Heiko trank einen Schluck Kaffee. »Wäre doch immerhin möglich. Ich kann jedenfalls jeden Kerl verstehen, der seinem Vorgänger eine reinhaut, weil der die Frau geschlagen hat!«
»Heiko!« Lisa tat entrüstet.
»Im Ernst! Kannst du das nicht nachvollziehen?«
»Schwierige Sache«, meinte Lisa, konnte aber nicht umhin, sich vorzustellen, wie Heiko auf Stefan losgehen würde– obwohl der sie nicht geschlagen hatte–, und die Vorstellung war irgendwie gut. Aber sehr, sehr böse. Böse, böse, böse. Aber trotzdem.
»Trotzdem ist das hier eine Straftat. Körperverletzung«, gab sie zu bedenken und Heiko nickte, während er ein weiteres Stück vom Käsekuchen abstach und genüsslich in seinem Mund verschwinden ließ.
»Leider ja.«
»Sie hätte ihn damals anzeigen sollen!«
»Zu spät. Jetzt ist das ohne Aussicht auf Erfolg.«
Der Arzt kam herein und suchte mit Blicken nach den Kommissaren. Schließlich kam er zu ihnen an den Tisch. Er trug einen weißen Kittel und darunter einen legeren Rollkragenpullover. Alles in allem eine dezente Erscheinung. Außergewöhnlich waren nur sein dunkler Teint und das pechschwarze Haar, das in lockigen Strähnen über die nachtschwarzen Augen fiel.
Er stellte sich als Doktor Tajry vor.
»Ah, anta men Maghreb?«, fragte Lisa sofort und diesmal war es Heiko, der nichts verstand. Doktor Tajry nickte. »Näm, äna men Maghreb. Änti terafi ed däriya?«
»Shweya shweya«, antwortete Lisa und strahlte.
Heiko blinzelte.
»Also, was Ihren Patienten betrifft«, fuhr der Orientale mit leichtem französischem Akzent auf Deutsch fort, »für heute sollten Sie ihn in Ruhe lassen. Er ist wirklich übel zugerichtet. Nichts Lebensbedrohliches– aber unangenehm. Den Arm haben wir eingegipst und das Auge muss beobachtet werden.«
»Und wann können wir ihn befragen?«, wollte Heiko wissen.
Doktor Tajry schüttelte leicht den Kopf. »Morgen vielleicht, inshallah!« Er hob die Hand und Lisa sagte sofort: »Shokran, ä-l-tbeb!«
»Du sprichst Arabisch?«, fragte Heiko verwundert, während er sich eine Zigarette anzündete. Sie gingen zum Parkplatz, Richtung Auto.
Im Beet standen die Narzissen nun in voller Blüte.
»Marokkanisch. Ein bisschen!«
»Woher kannst du das?«
»Hab’ einen Ex aus Marokko!«
»Hast du nicht auch einen Ex aus Peru?«
Lisa hob bestätigend die Hand.
»Und kannst du auch Spanisch?«
»Por supuesto«, meinte Lisa. Mann! Diese Frau war ein Sprachgenie.
»Was hast du zu ihm gesagt?«
»Och«, grinste Lisa, »also zunächst hat er gemeint, wie überaus hübsch und attraktiv ich doch sei. Woraufhin ich das Kompliment zurückgegeben habe und seinen athletischen Körperbau gelobt habe. Und dann, nachdem er mir weitere Komplimente gemacht hat, haben wir schließlich ein Date für heute Abend ausgemacht.«
Heiko setzte sich in Bewegung und verfolgte die absolut untypisch und ungewohnt ausgelassene, kreischende Lisa, um sie beim Auto einzufangen. Lachend küssten sie
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