Ohrenzeugen
beantwortet, oder?«
»Haben Sie ihn damals angezeigt?«, fragte Heiko.
Silke keuchte. »Was soll das bitte bringen?«
Marco brütete seit einigen Minuten stumm vor sich hin.
»Und er wollte Sie heiraten?«, wollte Lisa wissen.
»Ich denke, das will er immer noch«, versetzte Silke.
Heiko starrte in sein Glas. Das vermutete er auch. Vielleicht war es an der Zeit, sich diesen Winterbach doch noch einmal genauer anzuschauen.
Es war nach eins, als sie das Peanuts verließen. Sie hatten noch eine Weile mit dem jungen Paar geredet, sich dann später aber wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgezogen. Und sich unterhalten. Gut unterhalten. Sie hatten sich prima verstanden, obwohl Heiko nicht krampfhaft bemüht gewesen war, geistreich zu sein. Er war einfach er selbst gewesen.
Und Lisa sie selbst. So langsam taute sie richtig auf. Jetzt hopste sie, übermütig und vielleicht ein kleines bisschen beschwipst von den zwei Gläsern Wein, die Treppe hinunter und lief wie vorher zum Jagstufer.
Der Mond stand jetzt höher und spiegelte sich nicht mehr im Fluss, dafür waren Tausende von Sternen am Himmel zu sehen. »Oooooh«, machte Lisa, »ist das schön!«
Heiko war mit Sita hinter sie getreten und nickte. »Ja, so ist das auf dem Land. Da sieht man nachts noch die Sterne!«
»Hat ja schon was, euer Hohenlohe«, gab Lisa zu.
Sita hatte sich selbstständig gemacht und ein Entenpaar am Ufer aufgestöbert, das kurz darauf schimpfend und quakend im Fluss ruderte. »Schau dir die zwei an«, lachte Lisa, »die halten zusammen!«
Heiko schluckte. Lisa drehte sich um und wollte zum Auto laufen, im Gesicht immer noch ein glückliches Lächeln, und hielt inne. Heiko stand direkt vor ihr, nur Zentimeter entfernt. Nah, ganz nah. Er sah sie direkt an. Ihre Augen waren blau wie Lapislazuli. Lisa wurde ernst und schloss schließlich die schönen Augen. Er konnte ihre endlos langen Wimpern sehen.
Und plötzlich spürte sie Heikos Lippen auf ihren. Es war ein sehr kurzer und leichter Kuss. Ganz sanft. Danach verharrten sie minutenlang, in stummer Umarmung. Heiko schnupperte verhalten an ihrem Haar, das nach Zitronen roch. Schließlich löste sich Lisa von von ihm, beinahe verlegen.
»Und jetzt?«
»Jetzt bringe ich dich nach Hause!«, sagte Heiko.
Er hatte sie zu nichts gedrängt. Er wollte es langsam angehen lassen. Dieser Kuss war ein zaghafter Anfang gewesen. Es ging ihm nicht um schnellen Sex mit ihr. Nicht dieses Mal. Lisa war mehr.
Er war sich nicht sicher, ob sie es auch gewollt hatte. Aber sie hatte es zugelassen. Und das war doch schon die halbe Miete.
»Und, wie findest du sie?«, fragte er Sita, die ausnahmsweise neben ihm im Bett lag und den Kopf genüsslich auf ein kleines Kissen gebettet hatte. Der Hund schnupperte und rückte sich ein wenig zurecht. Heiko lachte. »Dir gefällt sie auch, gell?«
Garfield maunzte unzufrieden, weil sie ihn so lange allein gelassen hatte. Automatisch streichelte Lisa den Katzenbauch und es dauerte nicht lange, bis ein tiefes, zufriedenes Brummen ertönte. Der Kater streckte sich lang aus und rammte seine Krallen ins Sofa.
Lisa war verwirrt. Das hatte sie nicht gewollt. Nicht geplant und nicht gewollt. Aber dann war es passiert.
Und sie hatte sich gut dabei gefühlt. Und sie war überrascht gewesen, wie sanft und zärtlich sein Kuss gewesen war. Beinahe schüchtern. Sehr vorsichtig, als hätte er Angst, ihr wehzutun. Und wie er sie danach umarmt gehalten hatte, hatte sie geradezu gerührt. Er schien genauso alleine zu sein, wie sie es war.
Zwei Menschen in derselben Situation– aber reichte das aus, um eine Beziehung darauf zu gründen? Eher nicht. Aber wer weiß? Vielleicht würde sie ihm eine Chance geben. Auch, wenn sie sich eigentlich prinzipiell nie mit einem Kollegen hatte einlassen wollen.
So was war immer schwierig.
Aber da war diese Stimme in ihr, die ihr sagte, dass sie es versuchen sollte. Dass es richtig und gut wäre.
Garfield blickte sie aus seinen gelben Augen an. Und schien ihr zuzustimmen.
Herbert Winterbach öffnete eine weitere Dose Bier. Feiner Biernebel stob auf und legte sich auf seinen Daumen.
Gedankenverloren steckte er ihn sich in den Mund und lutschte daran. Dann nahm er den ersten Schluck aus der neuen Dose.
Der erste Schluck war immer der beste. Der frischeste, der intensivste. Der beste einfach. Schal wurde das Bier erst unten in der Dose, obwohl es bei ihm nicht alt wurde. Er soff zu viel und das wusste er. Aber egal.
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