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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Das Saufen half ihm abzuschalten. An bestimmte Sachen gar nicht erst zu denken. An Sachen und Leute.
    Er nahm einen weiteren Schluck Bier. Von dem Kleinen hatte sie ihm keinen Ton gesagt, gar nichts, und dabei war es sein Kind, er würde seine Seele darauf verwetten, dass der Kleine von ihm war.
    Beschissen hatte sie ihn nämlich bestimmt nicht, die junge Weidnerin. Was sie nur an diesem Itaker fand!
    Er hätte ja im weitesten Sinne damit leben können, wenn es ein Ordentlicher gewesen wäre, der seinen Platz einnähme. Ein Deutscher. Einer mit einem Beruf. Obwohl er trotzdem eifersüchtig wäre, sicher. Aber ein arbeitsloser Ausländer, das ging gar nicht.
    »Rooooak«, klang es aus der Küche und Winterbach brüllte: »Ruhe!«
    Er wäre auch ein guter Vater gewesen, ganz sicher. Und er würde auch nicht so viel saufen, wenn er mit ihr zusammen wäre. Sie war schuld, sie war an allem schuld.
    Es klingelte. So spät noch, um diese Zeit, fragte sich Herbert und erhob sich mühsam vom Sofa. Sofort drehte sich alles, er hatte wohl doch wieder zu viel getrunken.
    Er fluchte und hielt sich die Stirn. Mühsam tastete er sich in der Dunkelheit zum Lichtschalter, fluchte erneut, als er gegen den Couchtisch stieß, und schaltete das Licht im Wohnzimmer ein. Auch im Flur und nun konnte er einen undeutlichen Schemen an der Tür ausmachen.
    »Ja?«, rief er, erhielt jedoch keine Antwort.
    Er verdrehte die Augen. Toll. Er schob sich weiter vor und entriegelte die Kette und all die Schlösser. Kaum hatte er das letzte Schloss geöffnet und die Türklinke berührt, flog ihm die Tür entgegen, geöffnet von einem heftigen Fußtritt, und Hunderte von Fäusten schienen auf ihn einzuprasseln.
     

Donnerstag, 23. April
    Am nächsten Morgen hatten sie nicht so recht gewusst, wie sie einander begegnen sollten. Sie hatten sich schüchtern lächelnd begrüßt. Lisa hatte Heikos Jackenärmel gestreichelt und er hatte ihre Hand gedrückt. Jetzt saßen sie nebeneinander im Auto, auf dem Weg zu Herbert Winterbach. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber es war okay. Schon passierten sie die Ortseinfahrt und folgten der Kirchberger Straße.
    »Glaubst du, das Kind ist von Winterbach?«, fing Lisa an.
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Kann sein. Und der Zeitraum passt auch. Was hat sie gesagt, vor vier Jahren?«
    »Ja. Und Leon ist drei. Das passt!«
    »Aber Herbert hat kein Motiv. Der Alte war ja für eine Liaison mit seiner Tochter. Dann schon eher Marco.«
    »Kann sein«, gab Lisa zu. »Aber vielleicht wollte er das Ganze etwas schneller haben, erben, keine Ahnung! Von den Kindern ist ja wohl niemand willens oder in der Lage, den Hof zu führen!«
    »Frau Weidner hätte das Ruder in der Hand gehalten, das hätte ihm nichts gebracht!«, hielt Heiko dagegen. »Jedenfalls ist es interessant, die Sache mit dem Kind zu klären.«
    Heiko parkte den Wagen und sie stiegen aus. Die Kastanienbäume am Schmiedebach trieben klebrige Knospen, die diesen einzigartigen Geruch verströmten. Der Bach rauschte bedächtig vor sich hin. Es war noch früh und kaum was los. Sie überquerten die Straße und klingelten am alten Backsteinhaus.
    Nichts tat sich. Alles ruhig.
    »Geh’n wir wieder«, meinte Heiko, doch Lisa legte den Finger an die Lippen und machte: »Sch!«
    Heiko lauschte, hörte aber nichts.
    »Da stimmt was nicht«, stellte Lisa fest. Schließlich vernahm auch Heiko von drinnen ein unterdrücktes Stöhnen.
    »Geh zur Seite!«, forderte er, trat einige Schritte zurück und trat dann mit Wucht die Tür ein. Es dauerte kurz, bis sie im schummrigen Halbdunkel etwas sehen konnten. Im Flur lagen Beine. Die obere Hälfte des Kerls lag im Wohnzimmer. Mit drei Schritten waren die Kommissare bei Herbert, von dem das Wimmern ausging.
    »Sind Sie okay?«, fragte Heiko.
    Was für eine Frage! Winterbach war übel zugerichtet. Auf seinem rechten Auge prangte ein faustgroßes Veilchen, auf einer Platzwunde am Kopf klebte verkrustetes Blut. Ein Arm schien gebrochen zu sein, er stand seltsam verdreht vom dünnen Körper ab, und auf den Schienbeinen, die aus den karierten Boxershorts ragten, prangten große blaue Flecken. Heiko zückte sein Handy und rief einen Rettungswagen.
    »Haben Sie gesehen, wer das war?«, fragte er Herbert, der immer noch stöhnte.
    »Ich weiß nicht«, jammerte er. »Ich weiß es wirklich nicht!«
    Heiko und Lisa wechselten einen Blick. »Waren Sie recht besoffen?«, fragte Heiko, und Herbert nickte, wohl etwas peinlich

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