Ohrenzeugen
ihn eine Weile im Mund, bevor sie ihn hinunterschluckte.
»Mim Owwerstudiarat?«, vergewisserte sie sich.
Heiko nickte.
»Das könnt sei«, meinte Frau Schumacher.
Lisa räusperte sich.
»Wir haben Sie neulich doch nach den Abkürzungen gefragt, wissen Sie noch? Es gibt nämlich einen Brief an Frau Weidner, der mit ›HH‹ unterzeichnet ist.
Und Sie haben doch damals gemeint, die Weidnerin hätte ihren Mann ›Riesenschecke‹ genannt.
Und der Willi hat doch Holländer Hasen. Und da haben wir uns gedacht…«
Die Frau rührte im Tee. »Ha, der hat arg Pech ghett. A armer Mou is der. Sei Fraa hat a Schleechle gricht un is no schnell gschtorwa, un sei Dochder wor fünf Johr schbäter drou. A schees Maadle wors, an netti. Leukämie hatt’s ghett, un do hasch gor net sou schnell gugga kenna, wie die weg wor!«
Lisa sog scharf die Luft ein. Das war wieder zu schnell gegangen.
Frau Schumacher bemerkte ihre Sprachprobleme und wiederholte den Satz in mühsamem Hochdeutsch, wobei sie die einzelnen Silben extra deutlich betonte:
»Die Frau vom Herrn Held hat-te ein Schläg-le und ist dann ge-stor-ben, und sei-ne Toch-ter ist an Krebs ge-stor-ben.«
Lisa wusste zwar immer noch nicht, was ein ›Schlägle‹ war, aber sie beschloss, sich damit zufriedenzugeben.
»Sie sin net von do, odder?«, fragte Frau Schumacher und lächelte dünn und etwas mitleidig.
Die Kommissarin schüttelte den Kopf und trank wieder Tee.
»Un no, wo dia alle weg woora, des wor reechd schlimm fir en. No hatter alles mögliche Zeich ougfanga. Is in’d Volkshochschul’ un hat Spanisch glernt. Spanisch! Zu was brauchten der Spanisch schwätza kenna, frooch ii eich.«
Das fragte Heiko sich auch.
»Un an Combuter hat er sich kaaft, un lauter sou neimodischs Zeich. Un des kou guat sei, dass er sich mit derra ougfreindet hat. Genna däd mer’s em ja.«
Heiko nickte. »Und hat der Herr Held denn Vermögen?«
Frau Schumacher winkte ab. »Des is alles druff ganga fir so Heilpraktiker-Gruuschd mit derra Dochder. Die hen do nach jedem Strohhalm griffa! Un brochd hat’s ersch nix. Alles weg. Des Haus ghärt em aa nimmi.«
Lisa nippte erneut am Tee und goss etwas Milch hinein. Sie beobachtete, wie sich in der Tasse eine Milchwolke bildete, die den Tee heller färbte und weniger durchsichtig machte.
»Glaawa Sie, der wor’s?«, fragte Frau Schumacher und ihre Augen funkelten wie bei einer hungrigen Raubkatze, die gerade zum Sprung ansetzt.
Heiko schüttelte den Kopf. »Das dürfen wir Ihnen nicht sagen, Frau Schumacher«, bedauerte er und es klang ein bisschen tadelnd.
»Uff mii kennt er eich verlassa! Ii sooch nix!«, meinte Frau Schuhmacher, und Lisa hatte Mühe, eine ernste Miene zu wahren.
Heikos Handy klingelte. Es war Uwe.
»Also, Heiko, die DNA vom Campo passt nicht zu der auf der Uhr.«
»Und damit sind beide Campos aus dem Rennen, stimmt’s?«, mutmaßte der Kommissar.
»Ja, stimmt genau. Von den Campo-Jungs war es keiner.«
»Dann bleibt Held. Den müssen wir endlich genauer unter die Lupe nehmen.«
»So, so, Spanisch lernt der Held also«, meinte Heiko, als sie im McDonald’s saßen und einen Zwischendurchcheeseburger aßen.
»Reden wir doch mal mit den Volkshochschulmenschen«, schlug Lisa vor. »Vielleicht finden wir da was raus.«
»Was machst du heute Abend?«, fragte Lisa, als sie wieder im Auto saßen.
»Ich kann heut leider nicht. Ich muss was erledigen«, antwortete Heiko.
Lisa schluckte. »Okay!«, machte sie leise und fuhr sich durchs Haar.
Heiko berührte flüchtig ihre Wange. »Morgen bin ich wieder für dich da!«
»Sagst du mir, was so wichtig ist?«, fragte Lisa und ärgerte sich hinterher gleich wieder, weil sie so eifersüchtig geklungen hatte.
»Morgen«, beharrte Heiko und Lisa ließ es auf sich beruhen.
Das Telefon klingelte. Hedwig Maler nahm ab. »Maler?«, meldete sie sich und wickelte die altertümliche Telefonschnur um den Zeigefinger ihrer linken Hand. Eine Angewohnheit. Sie sah immer zu, wie sich der Finger spiralförmig weiß verfärbte. »Guten Abend, Frau Maler, hier Walter von der Kriminalpolizei Crailsheim. Ich würde gern mit Ihrem Mann sprechen. Ist er denn da?«
Hedwig schluckte. »Worum geht es denn?«
»Das ist eine… sehr persönliche Angelegenheit.«
»Das können Sie mir doch auch sagen, ich bin seine Frau.«
Hedwig merkte, wie der Mann am anderen Ende der Leitung überlegte.
»Also gut, Frau Maler, Sie können Ihrem Mann sagen, der Test sei positiv. Er weiß
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