Ohrenzeugen
auf! Deine Eingeweide quellen hervor und die Jungen fressen dich bei lebendigem Leib auf.«
Heiko hatte seine Ausführungen mit passenden Gesten sowie frappierend realistischer Mimik unterstrichen und amüsierte sich nun wieder köstlich, als er Lisas entsetzten Gesichtsausdruck sah.
»Im Ernst?«
»Na ja, ohne Quatsch, wenn die Junge haben, sollte man sie nicht provozieren. Aber wenn man einfach weitergeht, ist es kein Problem.«
»Hach, wie süß, die verteidigen ihre Kinder!«, hauchte Lisa entzückt, und ihre Augen nahmen einen träumerischen Ausdruck an.
Heiko hoffte, dass sie nicht an Familienplanung dachte. Irgend so einen kleinen Wicht, der ihn ›Papa‹ nannte, sabberte und andauernd umfiel, konnte er gerade am wenigsten gebrauchen. Später vielleicht mal, vielleicht so in 5 bis 10 Jahren. Oder besser in 15.
Den Rest des Nachmittages verbrachten sie damit, im Wildpark spazieren zu gehen. Anders als vorher, als sie ohne Vorwarnung Bekanntschaft mit einem der großen Waldbewohner hatte machen müssen, freute sich Lisa nun über jede Begegnung mit den struppigen Tierchen. Und sie war geradezu entzückt, als sich ein junger Eber vor ihr in den Staub warf und sich den kratzigen Bauch kraulen ließ. Erst nach einer zehnminütigen Massageeinheit trollte sich das Tier in den Wald.
Außerdem kreuzte noch ein großes Rudel Hirsche ihren Weg, das aber viel scheuer als der kleine Eber war und erschreckt davonstob.
Lisa legte sich schwungvoll aufs Bett.
Schön war das Wochenende mit Heiko gewesen, sehr schön. Und so langsam fand sie Geschmack am Landleben. Sie würde noch ein richtiges Landei werden, eines Tages. Wenn das ihre Mutter wüsste!
Lisa verzog die Lippen zu einem Grinsen, das nur Garfield sehen konnte.
Ihre Mutter hatte sie nicht mehr angerufen, seit sie ihr mitgeteilt hatte, dass es mit Stefan nun definitiv aus sei.
Du rennst in dein Unglück, Lieselotte, hatte sie gesagt. Überleg dir das gut, Lieselotte, aber wie du meinst!
Ach, sollte sie doch denken, was sie wollte. Lisa wusste, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war.
Wenn sie mit Heiko zusammen war, war sie einfach nur glücklich.
Sie wunderte sich selbst darüber und hätte sich solch mädchenhafte Schwärmereien gar nicht zugetraut. Aber es war so und das war schön.
Montag, 4. Mai
Simon weinte fast, als sie gemeinsam zur Türe hereinkamen.
»Soo, habt ihr gut geschlafen, jaa?«, stichelte er.
Heiko zog die Augenbrauen hoch und Lisa ignorierte die anzügliche Bemerkung.
»Ach, Simon, du könntest mal kontrollieren, ob vielleicht das Haller Standesamt irgendwas Passendes hat über den 27. Oktober 1914, ja?«, instruierte Heiko. Der Schwabe murmelte ein Okay und meldete dann:
»Der Herr Zeuner hat wieder angerufen.«
Heiko nickte grimmig. »Da kümmere ich mich heute Abend drum.«
Lisa sah ihn ein wenig fragend an. Der Kriminalobermeister verschwand, beleidigt, weil unbeachtet, und Lisa und Heiko setzten sich.
Die großen Finger des Kommissars trommelten auf die Tischplatte. Unter seiner Hand lag der Nadeldruckerausdruck mit Helds Beschwerde-E-Mail.
»An dem Alibi stimmt was nicht!«, brummte er unzufrieden.
»Verdammt, das kann nicht sein!« Lisa zupfte an ihrer Unterlippe und trank einen Schluck Kaffee.
Sie nahm das Blatt zur Hand und betrachtete es prüfend. »Mit Uhrzeit. Unumstößlich!«, befand sie.
Plötzlich ging die Tür auf und Simon trat ein, dicht gefolgt von Marco Campo.
Heiko erhob sich.
Der junge Italiener wirkte aufgeregt und wedelte mit einem blauen Stück Papier. »Ich wollte… ich wollte nur…«, begann er schnaufend.
Lisa schob ihm einen Stuhl hin, auf den Marco sich dankbar fallen ließ. Er kam langsam zu Atem und legte endlich das Papier auf den Tisch.
»Mein Kontoauszug. Ist heute gekommen.«
»Und?«, fragte Heiko.
»Na, mein Alibi! Schaut doch mal auf den 14.April.«
Heiko nahm das Blatt und las. »Um 1.24 Uhr hab’ ich mit der Silke an einer Tankstelle in Aalen eine Flasche Sekt gekauft. Wir sind dann anschließend auf einen Waldparkplatz gefahren und haben die Flasche getrunken.«
»Im Auto?«
Marco grinste vielsagend. »Ja, getrunken und so. Wir wollen halt auch mal… zusammen sein… wir zwei. Und das geht weder bei mir zu Hause noch bei der Silke. Bleibt nur das Auto.«
»Wann seid ihr denn dann nach Hause?«, erkundige sich der Kommissar.
»Um vier hab ich die Silke daheim abgesetzt. Und um Ihre nächste Frage zu beantworten, nein, ihr ist nichts aufgefallen. Die
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