Ohrenzeugen
huscht da nur immer ganz schnell zur Haustür und geht gleich rein. Man hat ja immer aufpassen müssen, dass der Alte uns nicht sieht!«
»Und warum ist Ihnen all das nicht schon am Freitag eingefallen?«, wollte Lisa wissen.
»Also, erstens hatte ich ja keinen Beweis und zweitens, also die Sache mit dem Auto… ist der Silke und mir ein bisschen peinlich… und da wollte ich sie erst fragen…«
Die Kommissarin murmelte verständnisvoll und ließ sich den Kontoauszug reichen.
»14.04.2011, 1.36 Uhr, Aalen. Das passt.«
»Nicht? Das ist doch ein Alibi, oder? Ich meine, da steht mein Name, das ist wirklich mein Kontoauszug, ihr könnt meine EC-Karte anschauen, ich zeig sie euch…«
Die Kommissare wechselten einen Blick.
»Nicht nötig, Herr Campo. Sie können gehen.«
Marco stutzte. »Wirklich? Und damit ist es okay?«
»Okay, ja.«
»Okay.«
Heiko nahm einen silberglänzenden Pyrit von der Fensterbank und betrachtete ihn sinnend. »Bleibt noch einer übrig!«, meinte er.
»Wir brauchen Beweise«, erinnerte Lisa überflüssigerweise.
»Und ein Motiv.«
Wütend legte er auf. »Die Frau Weidner sagt uns nichts über die Affäre, da bin ich mir ganz sicher!«, resümierte Lisa.
Heiko stimmte zu. »Das würde sie niemals zugeben. Aber ich weiß, wer ganz groß ist im Reden.«
»Es war schön mit dir, gestern Nacht«, sagte Lisa, als sie wieder im Auto saßen. Heiko tätschelte ein wenig unbeholfen ihr Knie.
»Mit dir auch.« Er lächelte sie an und bog in die Haller Straße in Richtung Tiefenbach ein. Sie passierten einen der vielen Kreisverkehre. Mit den Kreisverkehren hatten die Stadträte in den letzten Jahren ja echt einen Tick. Sechs Kreisverkehre gab es nun in Crailsheim, und an dem am Bullinger Eck knallte es alle paar Wochen.
Lisa hatte sich am Bullinger Eck über das gelb-schwarze Häuschen mit dem aufgemalten blauen Fisch gewundert, das seit der Walpurgisnacht dort stand.
Heiko hatte kurz überlegen müssen, bis er darauf gekommen war, was es mit dem kleinen Unterschlupf, der gerade so groß war, dass ein Mann alleine darin stehen konnte, auf sich hatte.
Es stand nämlich am Bullinger Eck immer ein Christ.
Kein durchschnittlicher Christ, zu denen sich zum Beispiel auch Heiko zählte, das heißt, Christen, die an Weihnachten und an Ostern in die Kirche gingen und die eigentlich schon irgendwie an Gott glaubten.
Sondern ein missionarischer Christ, der jeden Tag, sommers wie winters, am Kreisverkehr am Bullinger Eck stand und mit einer Bibel in der Hand die vorbeifahrenden Autofahrer mahnte, gute Christen zu sein.
Jemand hatte wohl Mitleid mit dem armen Mann gehabt und ihm das Häuschen mit dem Fisch in den Crailsheimer Stadtfarben gebaut. Das war wahre Nächstenliebe!
Lina Schumacher goss Tee aus einer edlen Kaffeekanne mit Enzianmotiv in drei goldberandete Porzellantassen.
Sie hatte nur Tee im Haus, wie sie betont hatte, da sie Kaffee nicht vertragen würde, außer ab und zu ein Tässchen Kaffee Haag.
Auf dem Tisch standen fernerhin eine passende Zuckerdose mit vergoldetem Löffelchen und ein Milchkännchen.
»No sind S’ also nouni weiter kumma?«, fragte sie und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Sie saßen in dem gemütlichen Wohnzimmer an einem großen Esstisch mit weißer Tischdecke. Es war so sauber, dass man vom Boden hätte essen können.
Frau Schumacher schien offenbar nicht viel anderes zu tun zu haben, als das Haus in Ordnung zu halten.
Auf dem riesenhaften bordeauxfarbenen Sofa hockten große Puppen mit Ringellöckchen, von blond bis brünett, in Samt- und Brokatkleidern, und wirkten wie erstarrte Kinder aus dem vorletzten Jahrhundert.
Mehrere Textilblumenbouquets zierten den Raum. Auf dem Boden lag ein heller, flauschiger Teppich.
An der Stirnseite stand eine riesige Wohnwand mit goldenen Uhren, Hummelfiguren, Sammeltellern und ähnlichem Zeug.
»Ha, wir wissen schon ein bisschen mehr. Genauer gesagt, haben wir sogar einen Verdächtigen«, trumpfte Heiko auf und trank einen Schluck Tee.
Frau Schumacher faltete die Hände wie zum Gebet und blickte sie auffordernd an.
Heiko holte geräuschvoll Luft.
»Vielleicht könnten Sie uns noch ein wenig helfen!«
Frau Schumacher entblößte ein Gebiss, das lückenhaft war und das so gar nicht zu ihrem Wohnzimmer passte. »Geera.« Sie beugte sich verschwörerisch vor.
»Also, wir denken, dass die Frau Weidner eventuell ein Verhältnis mit dem Herrn Held hat.«
Frau Schumacher trank einen Schluck Tee und behielt
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