Okarina: Roman (German Edition)
einer ausgefallenen Erscheinung wie der, von der ich spreche, hört es sich ausgefallen an«, fuhr ich fort, »wenn einer sagt, er habe gemeint, er sei ihr schon einmal begegnet. Aber so und nicht anders dachte ich, als ich die Life -Reportage studierte. Man wird es als Auskunft hinsichtlich meiner Bescheidenheit nehmen müssen, daß ich Norma und Marilyn zunächst nicht in Verbindung miteinander brachte. Weil dann ja ein Teil dieser Verbindung, die über zwei Pünktchen unserer beider Epidermis verlief, ich gewesen wäre.«
»Eurer beider Epidermis und deine Bescheidenheit – nun istes gut«, sagte Ronald. »Hast du einmal überlegt, wie deine Schöne aus Hollywood am 4. Juli auf den Rasen der amerikanischen Militärmission in Warschau gekommen sein soll? Als Geliebte vielleicht von dem Kerl mit den zu kurzen Hosen, vor dem der Posten so Haltung annahm wie vor einem Kongreß-Abgeordneten? Du, einer wie der weiß, wann 4. Juli ist. Und daß er seine Cäcilie besser nicht mit auf Ausflug hinter den Eisernen Vorhang nimmt, weiß er schon lange.«
»Alles richtig«, sagte ich, »nur, der Gang, den der Life -Journalist beschrieben und als längsten Gang der Filmgeschichte veranschlagt hat, stimmt mit dem Gang, der auf dem Rasen stattfand, bis in den unerhörten Hüftschwung überein. Ich bin sicher, auf Erden gibt es nicht zwei Gänge derselben Art. Die beiden aber, der in Life geschilderte und der, den ich erlebte, waren im Grunde einer. Glaube mir, bei Frau Moellers Marilyn und meiner Norma handelt es sich um ein und dieselbe Person.«
Nur gut, daß wir im Auto säßen, sagte Ronald. Im Zug hätte ich ihn auf den Gang gezerrt und ihm wie den übrigen Fahrgästen der Deutschen Reichsbahn den erregendsten Gang meines Lebens vorgeführt. Etwas Erfreuliches habe meine Erinnerung dennoch: Mir scheine wieder einzufallen, daß es unter den Cäcilien auch Normas und Marilyns gebe und nicht nur, ich wisse schon.
»Ja, tatsächlich gut, daß wir im Auto sitzen und nicht im Zug!« sagte ich, und Ronald sagte: »Entschuldigung!« Er verließ die 96 und brachte uns – den Autobahn-Zubringer gab es sowenig wie den Flugplatz Schönefeld – auf den zuweilen zwischen märkischen Äckern dahinschießenden und zuweilen mäandernden Weg, der nacheinander Waltersdorfer-, Altglienicker- und Schönefelder Chaussee heißt und an Kleingärten und Einfamilienhäuschen vorbei durch eine Vorstadtschlucht zu Tale führt, wonach er Schienen jeglicher Art wie auch den Teltowkanal quert, ehe er zu jener der Köpenicker Straßen Berlins wird, die hinter dem Bahndamm in Adlershof das Adlergestell kreuzt.
Vielleicht weil er sich mit seiner Entschuldigung verausgabt hatte, steuerte Ronald den Kadett wortlos über Pflaster undAsphalt, die durch den Wechsel vom Nah- zum Fernverkehr heillos überfordert und hoffnungslos schadhaft waren. Sogar sein Fuhrmannskommentar, der am hauptstädtischen Schlagbaum fällig gewesen wäre, entfiel, so daß wir im raren Zustand der Nichtkommunikation an dem noch unvermauerten westberliner Ortsteil Rudow vorbei Richtung Ortsteil Altglienicke, also Ostberlin, drehten.
Weil ich nicht mochte, wie wir schwiegen, sagte ich: »Ob das ein Senator gewesen ist oder ein vorgesetzter Militärmissionar – ich habe nicht gesagt, er habe nicht gewußt, daß die Büros wegen des Feiertags geschlossen waren. Ich weiß weder, was er wußte, noch, was er wollte; er war nur da. Und warum diese Norma zu seiner Partie gehörte, weiß ich ebensowenig. Ich weiß aber und weiß es genau: Sie war außerordentlich zugegen. Ich habe auf die Frage keine Antwort, wie Marilyn, die sich mir gegenüber Norma nannte – in Life las ich, sie halte es inzwischen umgekehrt –, auf den von mir begründeten Rasen der US-Militärmission in Polen geriet, meine aber, wo einer wie ich es geschafft hat, dorthin zu kommen, sollte es einer wie ihr nicht schwergefallen sein. Allein, o Mann, wenn ich an ihre wunderschönen Knie denke.
Ansonsten kann ich so genau nicht einmal sagen, wie es dazu kam, daß ich im Ergebnis einer bewaffneten Unternehmung nicht nur nach Warschau an der Weichsel kam, sondern an der Ecke ulica Piękna und aleje Ujazdowskie schräg gegenüber vom Park Belweder, in dem ich im Zuge einer Aufklärungsmission u. a. dem polnischen Staatspräsidenten begegnet bin, den Garten der künftigen Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Rasen versehen durfte.
Der, das wird zu sagen erlaubt sein, aufgrund meiner Gärtnerei am 4.
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