Okarina: Roman (German Edition)
späten Zettel, auf dem nichts als Es ging nicht anders stand, eine ehemalige Freundin gewesen ist, ließ sich vielwortig die Welt durchnehmen. So daß es von dem, was fehlte, als sie fehlte, nicht das Geringste war. Anderes zählte mehr, biß tiefer, war unfaßbarer dahin, aber ich hatte gefunden, wir seien das verschwatzteste Liebespaar der Weltgeschichte. Fedia fand Liebespaar altmodisch und Weltgeschichte überhoben, aber schwatzhaft ließ sie gelten. Es paßte ihr zu dem, was sie Ungezogenheit nannte, und was an aller Liebe der Weltgeschichte die Hauptsache ist. Wie die unzimperliche Person auf den zimperlichen Ausdruck Ungezogenheit verfallen konnte, besprachen wir nicht. Vielleicht hatsich unser Treiben nicht mit der Polizistik vertragen, die man sie in wechselnden Schulen lehrte. Ich kann es nur vermuten, weil die Polizistin, was das anging, alles andere als mitteilsam war.
Wir gaben der Welt, worauf sie Anspruch hatte, und gaben von unserem Anspruch nichts ab. Wir beredeten den 38. Breitengrad und Flüsse, die Yalu oder so ähnlich, und Orte, die Los Alamos hießen, und redeten einander gut zu. Als China Tibet besetzte und Frankreich mit den Viet-Minh beschäftigt war, unterblieb nicht aller Austausch darüber. Wir gingen Heinemann und den fernwestlichen Kanzler durch, wußten aber Näherliegendes. Als Shaw starb, versprach ich, eine drehbare Hütte wie seine zu bauen, aber mich nicht zu Tode zu stolpern wie er. Als Courths-Mahler starb, trug ich Robert Neumanns Parodie vor; das machte uns sehr lebendig. Als Harry S. Truman mit der Bombe drohte, hatte die Polizistin Angst; ich schwieg ihr von meiner. Grotewohls Gesamtdeutschen Brief fanden wir gut; zur selben Zeit fand ich wegen Ingrid Bergman und dem Schlafsack Hollywoods Wem die Stunde schlägt gut. Als es Protest gegen Harlan gab, sollte ich der Freundin vom urschlimmen Jud Süß erzählen, erzählte aber lieber von Christina Söderbaum und hielt mich an der Freundin fest dabei.
Jene Jahre weiter in solchen Einzelheiten: Adele Bick hat die Knef als Sünderin gesehen – als Fedia und ich allein sind, singt Adele nebenan und spielt sehr laut Klavier. Leonhard und ich geraten wegen Plievier, der wegen Becher aus dem PEN austritt, aneinander; dann berede ich es mit Fedia, und sie beruhigt mich. Leonhard sagt, der RIAS sagt, Sinclair Lewis sei gestorben; wir erinnern uns an Babbitt und vertragen uns. Ich erzähle auch Fedia von Babbitt , obwohl wir uns ohnedies vertragen. Adenauer ist bei ihr endgültig erledigt, weil er bei Gesamtdeutschem nur mitmacht, wenn die Volkspolizei aufgelöst wird. Das könnte dem so passen, sagt sie, und mir sagt sie, ich passe ihr ganz gut. Das Hochschul-Staatssekretariat stänkert gegen Niklas wegen der Kybernetik und weil er mich fernstudieren läßt, wovon ich Fedia erzähle, als ich in ihrer nächsten Nähe bin. Sie will wissen, ob mir Soraya gefällt;ich will wissen, wie sie es mit dem Schah hielte; dann begnügen wir uns mit uns. Gide stirbt; Flair wird beinahe ausführlich; ich sage zu Fedia, mir wäre das nichts, und wir zeigen uns, was uns was ist. Ich beichte, warum ich gegen Westgeld Die Vier im Jeep gesehen habe: Weil ich im Jeep den Samen für den Rasen der US-Militärmission in Warschau heranschaffte und es stark vermißte, als ich aus unklarem Grund in meiner Zelle blieb. Von Norma und ihrem Spann konnte ich Fedia nicht sprechen, weil meine Zeit mit ihr vor der Zeit lag, in der Frau Moeller mir Life und, my, die Knie von Marilyn zu besichtigen gab. Ohnedies hätte ich wegen Fedias unvermeidlicher Frage, wieso ich solch ein Wesen von den Knien jenes Marieleins mache, nichts davon gesagt.
Wie ich diesen Fehler vermied, beging ich einen gröberen: Zur Nachricht von der Hinrichtung Oswald Pohls, des Hauptbuchhalters und Obersten Lagerchefs der SS, erzählte ich der Buchhalterin, ich habe hinter polnischen Gardinen zugesehen, wie Warschaus NS-Gouverneur Fischer zum Galgen ging. Ein Kerl, der geschrieben hatte: »Die Juden werden vor Hunger und Elend eingehen, und von der jüdischen Frage wird nur noch ein Friedhof übrigbleiben.« – Er habe das nicht abwarten können, erzählte ich, sondern sei bei allererster Gelegenheit für die Vernichtung des Ghettos, das er den jüdischen Wohnbezirk nannte, eingetreten. Im Grunde müsse ich ihm dankbar sein, habe er doch auf seine Weise gesorgt, daß ich nach der Entlassung aus der Rakowiecka zu Arbeit und Quartier in der Gęsiówka gekommen sei.
So wahr mein Schwatzen auch
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