Okarina: Roman (German Edition)
eine Sache des Ruhmes und der Ehre hielten, michzu verhindern. Gleich Inspektoren kamen sie daher, denen, obwohl doch jedes Defizit auf sie als Lehrkräfte zurückfallen müßte, darum zu tun war, mich bei etwas zu erwischen, das ich nicht besaß. Nur hatte ihr Ehrgeiz nicht mit meinem gerechnet. Der macht gelegentlich wett, was mir an Hirnfett fehlt. Wer mich nicht will, der hat mich beinahe. Ich bin kein Jäger, doch bin ich ein Sammler. Unter Bootsleuten zähle ich weniger zu den Yachtsmen als zu den Treidlern. Ich stake den Kahn und komme später, aber am Ziel kann ich Fracht vorweisen.
Bei dieser Prüfung verhielt es sich so, daß zum Publikum einer zählte, der mich unter seine Kähnezieher hätte rekrutieren mögen. Ich machte ihn aus, indem ich mich an des Professors unverhohlene Blicke hielt. Von der Dürre, vor der ihn seine Kumpel im Havellager hatten bewahren wollen, war nichts an ihm. Grau und rund saß er da und ließ jegliche Sentimentalität vermissen. Ein Taxator, der verdächtig zufrieden schien. Ein TÜV-Experte, zum wohlerwogenen Zertifikat bereit, gab mir die Ehre. Kaum hatte ich mein Patent gewonnen, ging er vom Platz.
Doch hörte ich von ihm. Wenige Tage später. Als habe ihn niemand vor den Unwägbarkeiten dieser Verkehrsart gewarnt, benutzte er das Telefon. Frau Moeller rief mich an den Apparat und schnitt ein Gesicht, das ihr zur letzten Stunde zwischen Gewerbetreibender und Schweizerdegen zu passen schien. Was aber übereilt war, da ich noch nicht wußte, wohin mit mir.
Er heiße Zimmetsberger, erklärte der Mann und bewies Klasse, als er sagte, soweit er wisse, wisse ich noch nicht, wohin mit mir.
»Muß ich auch nicht«, sagte ich, »ich bin versorgt.«
»Und überqualifiziert.«
»Den Ausdruck kenne ich nicht.«
»Ärgern Sie Ausdrücke, die Sie nicht kennen?«
»Da käme ich aus dem Ärger nicht raus.«
»Gehen Sie demnächst schwimmen?«
»Ja, gehe ich.«
»Ich finde mich ein«, sagte er und legte auf.
Ein Mann von unternehmerischer Tüchtigkeit, wie Friederike Moeller eine Frau von unternehmerischer Tüchtigkeit war. Wenn es eine Frage des Gehalts sei, sagte sie und gab dem Telefon einen von den Blicken, die der Arbeitgeber für unlautere Abwerber am Lager hält, könne man sich einigen. Meine ihr Gatte jedenfalls. Und meine sie ebenfalls.
Nichts gegen gutes Geld, aber diesmal habe es nicht das Sagen, antwortete ich. Vielmehr handle es sich um eine Frage meiner Verfassung. Achtundzwanzig Jahre alt, also beinahe dreißig, und gerade mal, und auch nur halb geduldet, ausstudiert. Ein letzter Punkt vielleicht, noch etwas anderes anzufangen.
Sie und ihr Mann seien zwar nicht mehr achtundzwanzig, sagte Frau Moeller, aber wo ich von blöder Verfassung spreche – die mache auch ihnen zu schaffen. Von freiem Markt keine Spur. Mit mir hätten sie es weiterhin versucht, doch ohne mich, wozu? Damit ich es wisse: Wenn der Staat einen ehrenhaften Preis anböte, stünde demnächst VEB Ehemals Moeller im Register. Oder von ihr und ihrem Gatten aus VEB Genosse Gutenberg.
Darauf wußte ich nichts zu sagen. Ich hatte über ihren Status nicht weiter nachgedacht. Weniger als über meinen. Daß ihre Aussichten und meine miteinander zu tun hatten, verstand sich. Sie waren Inhaber eines Unternehmens, ich dessen Mitarbeiter. Unser Verhältnis galt als ein hergekommen natürliches. Infolge gesellschaftlicher Änderungen hatte es in puncto Gedeih oder Verderb eine Änderung gegeben. Eine fundamentale zu meinen Gunsten: An Moeller & Moellers Gedeih konnte ich beteiligt sein, an ihrem Verderben kaum. Den alten Streit beiseite, ob nun sie mir Arbeit gäben oder ich ihnen meine – war ich die bei ihnen los, war ich noch nicht arbeitslos. Das Volk als Eigner, so hörte und las ich, stand mit offenen Armen und offenen Stellen da. Ich war als Kader der Volkseigentumspartei nicht recht zu Rande gekommen und hatte Brot und Ruhe beim privaten Unternehmer gesucht. Und gefunden. Wo die Ausbeuterklasse Moeller hieß, war sie zu ertragen. Was die Entfremdung von der Arbeit betraf, über welche nicht nur Marx Bedrohliches wußte, hielt sie sich durch Schweizerdegentumin erträglichen Grenzen. Sogar den bleiernen Zwängen der vorgefundenen Druckschrift ließ sich durch Kunst beikommen. Woher der Auftrag, wohin der Aufwand – beides lag weder für den Setzer noch für den Drucker im dunkeln.
Wenn es gar um Entfremdung zwischen Oben und Unten ging, wollte ich den staatlichen Direktor sehen, der beim Ideenkampf
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