Okarina: Roman (German Edition)
Auf Rückzugsveteranen traf ich, in deren eiserne Stirnen Stalingrad und Kurisches Haff und El Alamein gemeißelt stand, dieweil sie nahe der Lombards- und Kennedybrücke dem fernen Elbübergang zustrebten, als gelte es, bei Arnheim reichwärts über den Rhein zu setzen. Gelegenheitsgewerbetreibendekamen mir entgegen, die außer ihrer Haut auch pfandbelehnte Leinwandbuden zu retten trachteten und dabei meiner pfandfreien Person wenig entgegenkommend achteten. Eine Drehorgel rammte mich, traun, an der ein Affe hing, der unwissend im warmen Wind die Kurbel drehte; doch hatte man ihm, soweit es sich im Lärm auf dem Eis und im Rotorschwall ausmachen ließ, nicht Waldeslust aufgelegt oder Beautiful morning oder Suliko ; vielmehr quäkte die Maschine, während ihr verhärmter Besitzer sie über den geschundenen Rasen stieß, mit äffischem Frageton die altdeutsche Weise Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Heinerich, was dann? Schon weil ich der liebe Heinerich nicht war, ließ ich die Erkundigung nicht heran an mich, ließ aber von den Augenblicken einer nie gesehenen Überflucht in mich hinein, was die Wimper halten wollte: Den holsteinischen Gutsherrn, der sich einmal und nicht wieder unters Volk verloren hatte. Die Altengruppe, die im Taumeln streitig beredete, ob dies die rechte Art von Klassentreffen sei. Den ökologischen Alleinerziehenden, der zusätzlich zum rückwärtigen Rucksack aus Bio-Jute auf seiner väterlichen Brust auch noch ein Doppelpack aus eineiigen Zwillingen trug. Die buswärts hastenden Ortsvereinler-Ost, denen ihre Prinz-Heinrich-Mützen jenseits aller Moden als Unterpfänder der geistigen Einheit galten. Kleine Leute aus Deutschland-Ost wie aus Deutschland-West, deren Mienen schrien, so trampelig sei es ihnen all ihrer Lebtag ergangen. Einmal rempelte mich ein kugeliges Kerlchen an, in dem ich – zu Unrecht sicher, da dieser zum Rempeln in Schriftform neigt – Jan Philipp Reemtsma vermutete. Wie ich überhaupt beim panischen Jagen ringsum, das einer Kollektivfurcht vor Hals- und Beinbruch entsprang, nicht nur hamburgische Gesichter sah, sondern auch befremdende Gesichte hatte. Augstein glaubte ich zu erkennen, der on the Alster-rocks nicht den sichersten Eindruck machte. Anders Gremliza, welcher die rasenden Kolumnen statt mit einer Fahne mit dem Abzug seiner Konkret -Kolumne aufhalten wollte, die Nimmer für Krupp, immer für Kraus! betitelt war. Kornfrank-Darboven reichte, um zu beweisen, daß seiner reiner als Kathreiner schmecke, Kiemen-Kowalke Proben, verfehltedie Zwecke, machte nur Flecke. Nicht mehr zu Pferd, in einem bespannten Schlitten kam die Gräfin vorbei; in den Sielen und an ihren Lippen hingen etliche Redakteure vom Feuilleton der Wochen- Zeit und hörten bei angenäherten Bedingungen, wie grob es zuging damals vor den Russen her über das Eis von Stallupönen. Verdammt will ich sein, wenn nicht gleich hinter der bekuften Equipage das Lit.mädel desselben Blattes neben Reich-Ranissimo ans Flußufer strebte, beide lesbar beim Problem, wie sich ins Innere vom anderen gelangen lasse. Wolf B., der einem verzickten Geislein glich, weil ihm von all dem Getös kein einziges Töslein galt, ließ sich gerade noch an der Gitarre erkennen, die nie von ihm lassen will. Ähnlich wie Kunerts Marianne nicht von ihrem Günter; im zerwirbelten Gejachter wirkte sie, als habe sie den Gatten ab Eppendorf auf dem holsteinbürtigen Fluß herangetragen. Oder womöglich schon ab Alsterdorf. Von den Neuholsteinern der andere Günter stand beim Versuch, sich den Auftrieb zwischen weitem Eisfeld und überfülltem Rasen zum Zwecke einer Grafik einzuätzen, allen ein wenig im Weg. Autor Lenz aus Hamburg-Othmarschen schien für den Fall, die Elemente herrschten ähnlich aufgebracht an der heimischen Flottbek, ein Zwischenbiwak an der näherliegenden Lottbek zu erwägen. Im Gerangel der auffallend vielen Dichter meinte ich Rühmkorf zu erkennen, an dem für meinen Laienverstand in dieser Stunde – das Eis, die Kufen – gar nicht so wenig Klopstocksches war.
Bei derart assoziierender Kühnheit hätte ich auch gleich nach Claudius vom Wandsbecker Mond oder nach dem Dramaturgen Lessing oder nach Henry Heine ausschauen können. Oder nach Borchert von draußen vor der Tür oder nach Bredel vom Pfaffenteich. Oder nach Johnny Brahms. Oder nach Liebermann, der, obwohl kein Hamburger, die Außenalster sowohl am westlichen als auch am östlichen Ufer gemalt und gezeichnet hat. Nicht bei Eis oder drohendem
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