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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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dessen bejahrter Lenker sich, seit er am verwinterten Dammersee einen der dreizehigen Langflügler gerettet hatte, als erfahrener Artenschützer begriff.
    Weil mein Dahinschießen auf den Stadtkilometern wenig über ein Dahinschießenwollen hinaus gedieh, fädelte ich mich in die Süd-Nord-Autobahn. Nicht ohne Anweisung an mich, am nächsten Kreuz von jähen Wendungen abzusehen. Also strikt Ost-Kurs zu halten und den gegen Öjendorf, wo die Großverbrennung ist, zu meiden. Schon gar einen Richtung Buddenbrook-Lübeck, das bis vor die Tore Hamburgs so anziehend nach Mandelöl und Aalrauch duftet. Anstatt an diese Stätten, sollte es über Wittstock nach Iswalde zu den Röhren und Hähnen von Mecklenburg-Strelitz gehen. Was zur Stunde um so dringender war, als sich die Bedrohung seit meinem ursprünglichen Aufbruch aus Berlin infolge heranziehenden Tauwetters verdoppelt hatte.
    Solange das Eis die Risse versperrte, die es gerissen hatte, war es eine Sache von zerborstener Installation, zu der man aus Gründen des Humors immer noch Wenn der Topf aber nun ein Loch hat pfeifen konnte. Nahm sich dasselbe Eis jedoch unterm warmen Wind in seinen wässerigen Hauptzustand zurück und war ich nicht da, das Ausströmen zu unterbinden, mußte eine Affäre mit geplatzten Wechseln daraus werden. Denn stiege der Grothenseepegel mit den aus meinem Röhrenwerk abfließenden Wassern an, würde die gleichzeitige Trockenlegung jener Kammer der Berliner Ersparnis-Anstalt, in der sich meine flüssigen Mittel befanden, eine kommunizierende Folge sein.
    Also ein apokalyptischer Reiter mehr auf meinen Fersen; ein weiterer Grund, die Tourennadel des Fahrzeugs gegen den roten Bereich zu drücken. Was meine Art sonst nicht ist.
    Aber was von dem, was ich zur Stunde trieb, war schon meine Art? Es war sie auch nicht, länger auf dem Fahrstreifen links als auf dem rechten zu verharren; es war sie nicht, das Brandloch im Himmelszelt durch übermäßige Abgiftgaben auszuweiten oder die Spur von meinen Erdentagen in den Beton zu reiben. Es sollte ebensowenig deine Art sein, dachte ich, ohne mich jedoch zu mäßigen, blick- und gedankenlos durch die Lewitz und über die Ruhner Berge zu klabastern und Gottes Kreatur in Wiesen und Wäldern in Angst und Schrecken zu versetzen, weil sie dich für eine katjuschaartig kreischende Windsbraut halten muß.
    Gut, der Unbilden und des Undichten wegen war an Eile mit Weile nicht zu denken, aber leben lassen und am Leben bleiben, dazu mußte Zeit noch sein. Weil Parchim schon hinter mir lag und die Ausfahrt Putlitz vor mir, ab der sich via Meyenburg der Autoweg um Längen verkürzt, suchte ich im Spiegel etwas von der Lage in den Lüften zu erkennen. Doch hätte es der Augen Strittmatters bedurft, ein Unbill bergendes Gewölk zu sehen. Wie immer es zur Stunde an Schlei und Eider und Alster und Bille stehen mochte, über der Elde zur Linken und der Havel zur Rechten war im späten Licht kein Wettersturz auszumachen.
    Also ging ich den Rest ruhig an. Zollte jähen Kurven und unangefochtenem Eis den nötigen Respekt. Hatte Muße, mich zu schämen, weil ich beim Gesaus über die Ruhner Berge weder der Puten und ihres Mörders, des Marders, noch der Gemeindesekretärin gedachte, um die ich im staatlichen Zähldienst verwerflich private Runden machte. Von den gemeuchelten Truthennen kam ich auf kurzem Gedankenweg zu den Vögeln, denen das Hot-Dog-Rudiment auf meinem Wagendach zugedacht war. Auch diese gefiederten Gefährten hatte ich beim Schweinsgalopp vor dem Wetter her nicht im Sinn gehabt. Ob sie nun, wie die Möwen zum Beispiel, als gute Segler galten oder nicht; ein artistisches Stuntkunststück, bei dem sie ein aufgespießtes Stück Fast-Food von einem Auto pickten, das mit hundertsiebzig Stundenkilometern vor ähnlich schnellen Winden floh, traute ich ihnen doch nicht zu. Selbst jenem Prachtexemplar nicht, dessen Lebensbereitschaft und Todesunbereitschaft ich am Dammersee bewundern konnte.
    Ein ander Ding wärs womöglich, seit ich sacht mit siebzig dahinfuhr, dachte ich und sah dem Vogel entgegen, der sich mehr von Pritzwalk als von Meyenburg, also von Berlin her, näherte. Eine Möwe, na schön; davon gab es etliche. Ob die nun wegen einiger weniger Krümel eine Luftreise taten, die selbst dann über hundert Kilometer gehen mußte, wenn man vom Dammersee gradaus wie die Krähe flog, wollte ich bezweifeln. Andererseits hieß es im Liede nicht von ungefähr, sondern im Ton achtungsvollen Leistungsermessens

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