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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Glatteis, sondern unter lieblicheren Sonnen vornehmlich am vornehmen Uhlenhorster Fährhaus. Um den Berliner nach Harvestehude zu locken, hatte Lichtwark ihm geschrieben: »Jeden Abend kommen dort in den Sommermonaten die Damen derumliegenden Villengelände in ihren zierlichen Böten zusammen.« Die Gegend ist immer noch vornehm, einige der Damen sind, wofür ich trotz des wilden Gedränges ein Auge hatte, immer noch zierlich, und die Mehrzahl von Boot kann laut Wahrig bei Bewohnern der Flußlandschaft immer noch in der Form Böte angetroffen werden. Auch wenn man Liebermann oder Brahms oder Klopstock im Revier der Boote oder Böte weder winters noch sommers in persona begegnen wird, heißen Straßen und Plätze um die Alster herum nach ihnen, wie andererseits, wir hörten davon, die beiden Überwege über den Fluß, auf denen es letzten Endes nach Marne in Süderdithmarschen geht, nach John F. Kennedy und leider nicht nach Johann W. Lombard heißen.
    Im Moment meiner Ankunft, in dem schon Momente der Abfahrt wohnten, waren die beiden Brücken, an denen flußab die Binnenalster und mit ihr allerschönste Stücke der Welt beginnen, ganz nüchtern genommen zwei Mittel der Kommunikation, die bereits hinter mir lagen, sofern die polizeilich empfohlene Flucht vor eisbildendem Regen plus blendendem Nebel und der Wettlauf gegen überhitzte Winde ab Startpunkt Dammtor-Bahnhof gemessen wurden. Als mache der gedachte Geländegewinn einen Ausschlag, nahm ich noch einmal den Kopf zwischen die Schultern, ließ unbeachtet, was in ihm über die Bedrohtheit von Wasserhähnen wie Landwegen abgespeichert lag, drängte nicht ohne Roheit zum Eis, das seit Wittstock als mein Ziel gegolten hatte, und schlug mich mit ähnlichem Ehrgeiz zu ihm durch, wie Roald Amundsen, der von ähnlich sportivem Charakter war, sich auf das Grönlandeis durchgeschlagen hatte. Weniger ausführlich als dieser und kürzer auch als Fridtjof Nansen, der mehrere Winter an seine Ost-West-Passage wenden mußte, verweilte ich auf der gefrorenen Fläche, ehe ich wendete. Ich machte nicht erst auf den Hacken kehrt, sondern, mit einem Liedwort von Hacks, auf der Spitze meiner Schuh. Soweit es nie mein Vorsatz gewesen war, auf dem Eis meiner Vettern niederzuknien, hielt ich mich an diesen Beschluß. Was das Geschrei betrifft, mit dem ich mich zu meinen Verwandten vor Rothenbaum hatte bekennen wollen, hielt ich an mich. Als mir Hamburgs zurückflutendeJungs und Deerns einmal nicht die Sicht versperrten, warf ich je einen Blick zum Klosterstieg und zur Schwanenwikbrücke hinüber und warf mich dann blindlings in die citywärts ablaufende Hanseaterei, hatte weder Auge noch Ohr für flüchtende Dichter und fluchende Reeder oder Röster, war Teil der Brandung, die gegen die Promenade An der Alster rollte, und genoß einen immensen Vorteil, sobald die glitschigen Anlagensoden in ein glitschiges Fußwegpflaster übergingen.
    Ich war so gut wie zu Hause, weil so gut wie bei meinem guten Auto. Zwar hatten einige meiner eiligen jetztweiligen Landsleute das Fahrzeug zur Abwurfstelle für Mars-Papier und Cola-Becher gekürt, doch wertete ich es als Zeugnis gezähmt krimineller Energie, daß mir einer von ihnen inmitten des polizeilich geforderten Abgalopps einen semmeligen wurstkernentkernten Hot-Dog-Mantel auf die Antenne zu spießen wußte. Soviel zum Abhören von Nachrichten aus dem Sender Freies Berlin! dachte ich erheitert, fragte mich dann jedoch, ob vielleicht ein Veteran der finsteren Zeiten, in denen unbotmäßiges Hör- oder Sehgerät bei solchem Delikt unter die jugendverbandseigene Säge kam, mir das ausgehöhlte Stück Wurstverwahrgebäck im Sinne einer Verwarnung aufgesteckt haben könne.
    Weil dies Erwägen für einen, der noch zweihundert Kilometer durch alle Wetter mußte, gefährdender Luxus war, wies ich es ab, schloß nicht ohne Neiderblicke um mich her meinen unerhört günstig geparkten Wagen auf und beschloß, während ich die Outdoor-Jacke durch die Tür ins Innere warf, den Rest von heißem Hund auf dem Glasfiberstecken zu belassen. Nicht zwecks Gottesurteils nach dem Muster: Ist er am Ende noch da, wird am Ende alles gut!, jedoch als Zeichen meines guten Willens, wenn nicht gegenüber den Blutsbrüdern an der Unterelbe, so doch den darbenden Vögeln dortselbst. Den Möwen vor allem, die beim aufkommenden Eisregen auf jeden verzehrbaren Brocken angewiesen sein würden. Und stecke er an der Antenne eines Richtung Ost dahinschießenden Personenkraftwagens,

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