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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Lieben in andere Korrespondenzen eingetreten sind.
    Überhaupt das Protokoll und die Pflichten: Sei ruhig böse, du giltst ohnehin dafür. Bleib denen das Monster nicht schuldig, die dich zu ihm ernannten. Wenn du schon als übler Bursche dastehst, mache das Beste daraus. Und erweitere dieses Gewinnstreben: Da sie dich nicht nur in puncto Moral, sondern auch mental als schadhaft taxieren, kannst du getrost die allergestrengste der Ordnungsamt-Politessen bitten, dir beim jährlichen Umstellen deiner Parkscheibe auf Sommer- bzw. Winterzeit zur Hand zu gehen.
    In alledem war ich, bin ich gut, sage ich und lasse es bei der Beteuerung. Denn dem forensischen Abschnitt meines Daseins soll endlich der Schluß der Erzählung folgen, mit der ich den Okarina -Bericht nicht nur begann, sondern bei Gelegenheit durchschoß. Wobei mir recht ist, daß sich in dem Klangbild, das ich von meiner Schlittenfahrt über die Alster bewahre, keiner der urtümlich charaktervollen Töne des altrömischen Blasinstruments findet. Der Einwand, sie seien nur meines geringfügigen Alters wegen unerkannt geblieben, geht schon deshalb an der Sache vorbei, weil er für fast alles gälte. Um in der Musikabteilung zu bleiben: So gesehen war mir Zweijährigem auch die Bezeichnung Drehorgel ungeläufig, die dort hingehörte, wo ich nichts als beseligende Laute vernahm. Der Name des Apparates, der die Melodien durch einen mechanisierten Umgang mit Luftsäulen erzeugte, wurde mir von meiner Mutter nachgereicht, als sie den Alstereisabend vor meinen Ohren aufleben ließ. Wobei mir immer klarer wird, es könnte die ungekannte Kälte gewesen sein, die einen allfallsig anwesenden Okarinisten hinderte, das froststarre Instrument an seinen froststarren Mund zu setzen. Nicht nur der drohenden Eisschweißnaht zwischen Lipp und Flötenrand wegen, sondern auch in Rücksicht auf das Gefrieren der Töne, mit dem man seit Münchhausen weit unter Null stets rechnen muß.
    Sage ich, denn ich habe nicht vergessen, daß eine spätwinterliche Fahrt, die mich in meinen späten Jahren anstatt an den Oberlauf der Havel an den Unterlauf der Alster führte, in Gang nur kam, weil ich die Kälte als gestaltenden Faktor des Lebens gering veranschlagt hatte. Wie ich andererseits von Kräften weiß, die mir trotz der Frostbedrohtheit meiner strelitzischen Hütte beim Abzweig Wittstock den anderen Kurs eingaben. Den nach Hamburg, der über dieses hinaus nach Marne nahe der Nordsee führt.
    Um Neugier handelte es sich und um die dumme Begier, am neuen Treiben teilzunehmen, weil ich einst am alten teilgenommen hatte. Um verschlepptes Heimweh handelte es sich und um den Wahn, ich könne dort alles beim Gewohnten finden. Um eine abwegige Sehnsucht handelte es sich undmitten im Gemetzel aus Einstweiligen Verfügungen, das mich Letztwillige Verfügungen entwerfen ließ, um ein Verlangen nach Harmonie. Was im Sternbild des Marders aberwitzig, aber unbezwingbar war.
    Abenteuerlich und herzlich beschwingend. Im Fluge mehr als in Fahrt bewegte ich mich durch die Kälte von Wittstock hinüber zur Kälte von Hamburg, kaum daß mir der Sender Freies Berlin das Eis auf der Alster angepriesen hatte. Lieblich, wie es zur Jahreszeit wenig paßte – nur das Ich war das Wirkliche und mein Bewußtsein bestimmte das Sein –, breitete die griese Prignitz ihre Auen; unschroffer als gewöhnlich dräuten die Ruhner Berge; um nichts erschrocken, freudig vielmehr stoben Wintervögel über den Wiesen der Lewitz auf; bei Hagenow sang ich Hagenow, Hagenow ist ein schönes Städtchen , setzte jenseits der Bille fort mit An de Alster, an de Elbe, an de Bill / kann en jeder eener moken, wat he will , und inniger denn je ahnte mir von Unteilbarkeit der Kulturnation. Durch deren Siedlungsräume ging es an Parchims Sonnenberg vorbei, wo es den Räuber Vieting längst nicht mehr, und quer durch den Sachsenwald, wo es den Eisernen Bismarck immer noch gibt. Um mein Autobahnfliegen in ein Landstraßengleiten überzuleiten, fuhr ich ab Talkau auf dem Weg, der von Mölln und Ratzeburg kommt, rollte, erhaben über Rowohlts diverse Verweser, aber mit Gruß für Gaus, an Rowohlts Reinbek vorbei nach Bergedorf, wo ich, so beschwingt ist mir kurz vorm Ziel gewesen, den Altbundeskanzler Schmidt als einen gelten ließ, der Waldeslust auf der Heimorgel konnte. Womöglich war er, die Jahre hatte er reichlich dazu, in der nämlichen Winternacht auf Schlittschuhkufen über das nämliche Alstereis geflogen, über das ich auf

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