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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Schlittenkufen gezogen worden war. Einmal bei solchem Womöglich, hielt ich für möglich, der Held der Hamburg-Flut wie auch des Fluges nach Mogadischu könne am Morgen seiner Frau in die Reihenhausküche gerufen haben, Loki, wir fahrn aufs Eis! , und werde sich just dort zeigen, wohin es mich eben trug.
    Mochte er nur; auf der Schlidderbahn sind wir Friesengewächs alle gleich. Ob nun der eine vorzieht, von der Bahn, die uns geführt Lassalle zu singen, und der andere Thälmann istniemals gefallen bevorzugt, macht keinen Ausschlag in der Hansestadt Hamburg, die heute, als wäre nie Gerichtstag, nie Richtstatt in ihr gewesen, nach Weihrauch und Myrrhe riecht, nach Schönheit und Lust und nach Kieler Sprotten nicht minder. Wir alle fahrn, hejo, aufs Eis, wir alle stimmen lauthals O, what a beautiful morning an, wir alle können – o, what a beautiful day – zwischen St. Georg und Rotherbaum übers Wasser gehn, wir alle besiegen Frost und Frust und singen aus voller Brust die Waldeslust.
    Wie ich über Billstedt und die flußnahe Eiffestraße auf der schlecht verheilten Brandnarbe von Hamm nach Hamburg einzog, merkte ich, mein unmäßiges Schwärmen hatte mich unmäßig erwärmt. Ratsam schien, die Heizung zu drosseln, um einen allzu jähen Übergang in den klirrenden Elbgauwind zu vermeiden. Das fehlte noch: Zum vereisten Wasserhahn am Großen Grothensee auf der Außenalster die Gurgel eingefroren.
    Vorm Berliner Tor erklärte ich die Anfahrt für beendet, scherte Richtung Sechslingspforte und Schwanenwik aus, schärfte das Auge, stählte die Sinne, weil es galt, nach einem alsternahen Parkplatz zu schürfen. Obwohl von dem Grundbedürfnis ganz in Anspruch genommen, hatte ich doch schnelle Blicke für den Fluß, der an dieser Stelle ein See ist und zu dieser Stunde eine Eisbahn war. Auch ohne seinen derzeitigen Aggregatzustand machte das Gewässer im Wettbewerb der Panoramen etwas her. Obwohl gegenüber der Klosterstieg lag, in dem mich Dr. Humbert Wipfel über Jahr und Tag aus einem Gerüchtgeflecht zu enttüdern suchte, was trotz seines angenehmen Ergebnisses als unangenehmes Erlebnis zählte, sah ich in tiefgefühlter Neigung zum jenseitigen Gestade hin. Am drübigen Strand ließ sich der Lebensrand denken, über den ich im Eisjahr 28 vom Unbewußten ins Bewußte geschliddert war. Verbürgt und gesichert verlief er an dem westlichen Ufer, an welchem mein Ariadneseil in seinem Anker hängt.
    Hier war es! dachte ich und dachte aufgestört weiter: Hier ist etwas!, ließ aber ab von beiden Gedanken, weil der Verkehr über die Teilnahme hinaus auf Anteilnahme bestand. Er bekam von mir alles, was beim Forschen nach einer vakantenParkbucht übrig blieb, und eine solche tat sich, als gelte es, meinen Eifer zu belohnen, augenblicklich vor mir auf. Ich drehte bei und sah staunend, einen Stellplatz weiter scherte ein weiterer Karren aus. Und der Wagen in der Bucht vor dieser Bucht nicht anders. Fast schien es, als sei ein ganzer Automobilclub in Abfahrt begriffen. Oder als breche der Altkanzler samt einem Regiment von Bodyguards in Richtung Reihenhaus und Orgelpfeifen auf. Bei diesem Gehen und Kommen meinte ich, inmitten einer Unzahl von Abreisenden der einzige eintreffende Automobilist zu sein. Die Haltekerben vor mir und hinter mir leerten sich rasch und füllten sich, wie ich im Spiegel sah, gegen alles Brauchtum nicht wieder. Wintersportlich gekleidete, nun jedoch, aus geöffneten Jacken und abgestreiften Mützen schloß ich das, erhitzte Menschen aller Art durchmaßen den frostweißen Grünstreifen, der die Alster säumt, und warfen sich, sofern solche auf sie warteten, in ihre Fahrzeuge, oder warfen sich, um auf die andere Promenadenseite zu gelangen, in den Fahrzeugstrom, der auf dem alsterseitigen Straßenteil erkennbar dichter wurde, weil sich den rollenden Autos jene addierten, die eben noch am Kai gelegen hatten.
    Verständlich, daß nur eine Minderheit der vom Flußsee heraufschwappenden Menschenmassen ihre Vehikel so nah hatte vertäuen können; die Majorität der Leute, die in verstörender Eile vom Gefrorenen aufs Gepflasterte strebten, schlug, Schlitten und Kinder unterm Arm, Icecamp-Zubehör umgehängt und Hündchen angeleint, Richtungen ein, in denen Parkhäuser, Parkzonen und, nicht zu vergessen, Bahn- und Busstationen lagen.
    Die Frage war, welchen der Wege ich wählen müsse; die Frage war vor allem, was da vor meinen so weitgereisten wie ungläubigen Augen geschah. Mithin riß ich mich aus der

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