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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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wirkliche Stein in dem einen oder anderen realen Behältnis lediglich Metaphern waren. Warum ich bei soviel Schlaglautmalerei nicht auch das Bersten einer Okarina hörte, kann ich nicht sagen.
    Die Untersuchung führte einen lebensverändernden Beschluß herbei. Seine Wirkung zu beschreiben, greife ich auf Kindertage zurück: Ferien verbrachte ich in einer Stadt an der mittleren Elde, wo ich mich oft nahe der Flußwerft aufhielt. Wohl aus Heimweh, weil es elde- und elbeabwärts bis Brunsbüttel ging und von dort im Katzensprung nach Marne. Da der Ort in Plattdeutschland lag, auch wenn in ihm andere Klangfarben galten, hieß die Werft, in der Lastkähne gebaut und überholt wurden, die Kahnbugerie, was mit ellenlangen Vokalen Kaanbuugerie gesprochen wurde.
    Heute ist mir erstaunlich, daß die Bootswerft und der Stadtrand zaunlos ineinander übergingen. Auch wenn sich fragt, wer wohl die vom tintig süßbeizenden Fäulnisgeruch der Rinden eingehüllten Eichenstämme hätte wegschleppen sollen. Sie lagerten unbewacht entfernt der Werft ihrer Verwendung als Planken entgegen und verloren anders als anderes selbst über die Zeit meines Heranwachsens nichts von ihrem riesigen Übermaß.
    An ihre Unentführbarkeit glaubte ich nicht mehr, als ich gesehen hatte, wie ein einzelner Schiffsmann mit Hilfe einer einfachen, wenngleich eichenschweren Stange einen Kahn bewegte, dessen Frachtraum es mit zwanzig Güterwagen hätte aufnehmen können. Seither traute ich den Bootsleuten zu, daß einer von ihnen ganz allein die Eichenstämme unters Stakholz nehmen und dorthin rollen könne, wohin er sie haben wollte.
    Mir traute ich Ähnliches nicht zu, versuchte jedoch, den einen oder anderen Gegenstand, das eine oder andere Problem mit dem Stakholz, das am Ende nur ein Hebel war, anzugehen. Zum Glück überhob ich mich nicht mit archimedischen Vorsätzen und ließ die Welt in den Angeln. Aber gelehrig versuchte ich, innerhalb meiner Zirkel Gebrauch von wunderwirkenden Hebeln zu machen. Was um so leichter ging, als zugehörige Gesetze zum zugänglichen Schulwissen zählten.
    Ob man nun gleich Gesetz nennen kann, was ich dem Corned-Pork-Vorfall entnahm, weiß ich nicht. Zunächst handelte es sich um nichts weiter als um einen einzig auf mich bezogenen Vorsatz. Aber mich band er, und wer Auskunft will, muß sich an ihn halten. Ich wollte nie wieder ins schreiende Mißverhältnis zwischen minimalem Gewinn und maximalem Risiko. Wollte mit gehört sein, wo ich mit gehenkt werden konnte. Wollte nicht in Lagen, in denen, nein, nicht das Sagen einzig meines, aber das Sagen nicht auch meines war. Ich wollte nicht unter Leuten stehen, deren Winsen-Schwindel kaum bis Eckermann hielt. Die sich vom allerersten Trüffelschwein erschnüffeln und vom allerletzten Fähnrich ums Haar erschießen ließen. Wollte mich in einem weiteren Radius als dem von Nagant und Mauser bewegen und in keinem Regime verbleiben, dessen irgendnächster Hauptmann oder unterniederster Major mich hindern konnten, einem Glanz aus Innen, der an einer Litewka war, ganz auf den Grund zu gehen. Wollte an einen Punkt, von dem aus sich wenn nicht die Welt so doch die eine oder andere Tür aus den Angeln heben ließ.
    Ich strichelte keinen Umsturz in den Sand und strickte an keiner Verschwörung. Kein Gedanke an Putsch oder Flucht, keine Ausflucht vor Schutt oder Schuld. Ich wußte nur: Wie es war, ging es nicht. Und fühlte, da Aufstand aus sechs Millionen Gründen nicht gelten konnte, mußte Aufstieg sein. Nicht dem Platz wollte ich entkommen, doch meinem Platz an ihm. – Ein Plan so leicht wie ein eichener Kahn. Einer, den man, wenn er verfangen soll, niemals verkündet und immer gelten läßt. Einer, zu dem es lange Hebel braucht. Und den Punkt, der Standpunkt heißt. Ähnlich dem Mann, der den Kahn aus der Beharrung in Bewegung setzt, indem er zwischen Ufer und Fluß und Last mit dem Hebel vermittelt, stemmte ich mich gegen den Zustand, in dem ich gar nichts war, bis ich etwas war. Ein wenig mehr als nichts. Mehr als gar nichts.
    So hatte ich es gedacht; gekommen ist es nicht ganz so. Den ersten Überschwang im Kaderkorps des Kombinats für die Resortierung versprengter Güter nutzte ich zu kleinen Änderungen in der Kommandokette. Dem Winsener ließ ich das Sagen, soweit es die Luhe betraf; Linien wurden fortan von mirgezogen. Was uns alle besser essen und besser schlafen ließ. Auch Herr Fasolka schlief wieder gut. Mein Polnisch reichte nicht, dem seinen bis in die feinste

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