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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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freien Hand auf Herrn Fasolka deutet, sein Schießgerät gegen mich. – Ob unser Brigadier nun ein Winsenanderluhener ist oder ein wackrer Schwabe, er liest die Zeichen und gibt uns ein Zeichen und führt uns über die unendliche Straße ans Tor, wo Herr Fasolka ungehalten wartet. Ich hoffe, er bleibt, bis der Posten, dessen Pistolenmündung mit meinem Rücken Verbindung hält, begriffen hat, er wird auf uns ohne Not nicht schießenkönnen. »Marsch, an die Arbeit!« sagt Herr Fasolka, und nie haben Marsch! und Arbeit! süßer geklungen.
    Und selten haben zwei Wörter so zur Menschwerdung eines Affen beigetragen. Weil sie Teile wurden von dem, was mich antrieb. Teile des Schwungs, der mich die Reihen aufwärts führte. Weiter fort von den bloß Geführten und Genasführten. Etwas näher gewählten Führern und gewählten Leitern zu.

9
    Soviel noch zum äußeren Vorgang, der den inneren begleitete: Als wir wieder bei Tisch saßen und unsere Löffel in die Suppe tauchten, schien alles wie vorher. Außer daß die Suppe kein Gramm ehedem deutschen Wehrmachts-Fleisches enthielt und wir uns kaum zu fragen wagten, wie lange diese Ehrlichkeit wohl währen solle. Nur der herrnhuterische Kommis sprach von einem Gras, das wachsen werde, doch widersprach er nicht meiner Ansicht, vorher hätten wir, dafür werde der Fähnrich sorgen, mit einer Inspektion zu rechnen. Wie sich zur schlimmen Post gehört, wurde ich barsch gefragt, was sich dagegen machen lasse. Mit der Antwort, es gebe keine Mittel, gewann ich keinen Freund. Es besänftigte, daß ich die Sorgfalt lobte, mit der sie das Suppenwürzen von Anbeginn betrieben hätten. Dank ihrer Mühe beim Umgang mit den Kisten müsse man alle öffnen, um alle zu finden, in denen nicht mehr alles zu finden sei. Man werde Stichproben machen. Da komme die Zeit ins Spiel. Je länger die Suche, desto wahrscheinlicher ein Fund. Weshalb wir kein Interesse an langer Suchzeit hätten. Auch Herr Fasolka habe keines an langer Besuchszeit. Werde die Kommission fündig, treffe es ihn als Aufsichtsperson. Und ihn als Privatperson treffe eine dahingeschleppte Inspektion erheblich, soweit sich das aus seinen schlaffen Aktenmappen am Morgen und den prallen am Abend schließen lasse. Ich wisse nicht, wie sie es sähen, sagte ich, doch scheine mir, alles sei unentschieden und hänge nicht zuletzt vom Zufall ab. Alten Soldaten werde eine solche Lage nichts Neues sein.
    »Dennoch wäre mir lieb, wir wüßten Mittel«, sagte unser Brigadier. – Sonst sei es wie Blindekuh, sagte der Handlungsgehilfe. »Klobbste lange, triffste was.«
    Ich hätte eine Idee, sagte ich. »Es war einmal gut, die Kisten, in denen Steine sind, ohne Kratzer in die Stapel zurückzutun. Nur ist es jetzt nicht mehr so gut. Weil sie nach Kisten mit Kratzern suchen. Erst wenn sie keine finden, spielen sie Blindekuh.«
    Die Bayern, der Kaufmann aus Kamenz und Eckermann von der Luhe erhoben sich und nahmen Werkzeug zur Hand. Sie fielen in die Hauptsektion Konserven ein und traten in der Untersektion Schweinefleisch an die Kisten, um unversehrte Bänder behutsam zu versehren. Sie taten dem Wehrmachtsgut nur soviel Gewalt an, wie nötig, wenn man einen Besuch erwartet, der nach kaum erkennbaren Beschädigungen fahndet.
    Als ich die vier an Säulen und Kolumnen beschäftigt sah, sachte Kratzer, sanfte Beulen so zu verteilen, daß es keinen steinhaltigen Behälter traf, sah ich auch, nicht ohne ihr Zutun hatten sie es geschafft, ohne nennenswerte Beulen und Kratzer durch den Krieg zu kommen. Zwar wird der Okarinabläser das, was er mir im nächtlichem Kreml sagte, kaum so wortverspielt gemeint haben, dennoch dachte ich beim Anblick meiner spurenlegenden Brüder: Ist eine richtige Linie gegeben, entscheiden die Kameraden alles.
    Dann ging ich ins Zentrum für polygraphischen Bedarf. Weil ich dort das Tor im Auge behalten und eine Kommission zeitig erkennen konnte, die sich dem Kombinat für die Resortierung versprengter Güter näherte, um seine Bestände auf Fehlbestände zu prüfen. Auch war es gut für den Fall, ein neuer Fähnrich führe ein neues Trüffelschwein heran. Oder Herr Fasolka komme aus dem Büro, die Augen voll Wissen um unsere Schuld an seinem Elend, den Bauch voller Sprit aus der Untersektion Spirituosen und am Hosenheck den Wimpel gehißt, welchen nur lebensmüd Arglose als ausgestülptes Taschenfutter mißdeuten würden.
    Herr Fasolka erschien nicht, dafür die Kommission am nächsten Tag. Ihrem Gebaren nach glaubte sie,

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