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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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überraschend zu kommen. Herr Fasolka tat überrascht und beleidigt. Erhinkte stärker und schnauzte lauter denn je. Er unterließ es nicht, seine Partisanen-Pistole zu zeigen, doch minderte es die Wirkung, daß er nüchtern war und kein herausgekehrtes Leinen ihm die Hose beflaggte.
    Ähnlich waren die Kommissare, von denen sich eine als Kommissarin erwies, bewaffnet. In Auswertung des Besuchs des armen Trüffelschweins und des ärmlichen Fähnrichs befaßten sich ein Major, ein Hauptmann und eine Oberleutnantin mit den Beständen des Kombinats für die Resortierung versprengter Güter. Erkennbar lagen das Zentrum für polygraphischen Bedarf und die Schuh-und-Strumpf- wie Messer-Gabel-Schere-Licht-Abteilungen nicht im Zentrum ihres Interesses. In diesem stand unverkennbar die Obersektion Büchsenfleisch. Herr Fasolka versicherte, er als polnischer Patriot werde ähnlich den deutschen Schweinehunden, die kein Wort zu sagen hätten, kein Wort in dieser Sache sagen. Das Wort in ihr hätten der Herr Major, der Herr Hauptmann und die Frau Oberleutnant. Ihm selber stehe allenfalls zu, die Geographie der Lagerhalle mit ihren diversen Gütern anzugeben.
    Was er tat, und was ich nicht wiederholen will. Wie ich nicht betonen muß, daß meines Planes Blütenträume reiften. Die Herren gaben Major Holmes und Hauptmann Watson; die Dame gab keine Ms Marple, weil sie zu jung und zu schön dafür war. Meine Kompagnons trotteten wie ergebene Gäule und waren wacher als jeder Croupier. Der bayerische Bauer zeigte das Zeug zu einem Hütchenspieler, der es mit Kisten kann. Einzig unser Brigadier ließ Zufriedenheit erkennen, wenn er befohlene Griffe tat, welche nichts als Fehlgriffe waren. Pan Fasolka trieb ihm dieses Gebaren mit sprechender Gebärde zur rückwärtigen Pistole aus.
    Mit mir ging es, wie ich fürchte, symptomatisch. Man hatte mich bestellt, die vom Major ausgewählten, von den Bayern erbrochenen, vom Hauptmann inspizierten und vom Ältesten wie vom Handelsgehilfen wieder verschlossenen Kisten zur Halde aus kontrollierten Kisten zu stapeln. Mit jedem Trumm, das den Verdacht enthärtete, mußte ich an der protokollierenden Oberleutnantin vorbei. Was anfangs ein Müssen war, wandelte sich von Gang zu Gang zum Dürfen. Wie ich beladenhin und unbelastet her die militärische Schriftführerin passierte, fragte ich mich – ich, der ich Grund zu anderen Fragen hatte, z. B., ob man uns, fände man die Steine, mit ihnen steinigen werde –, wann ich je Gewänder sah, die ein ähnlich inniges Verhältnis zu dem von ihnen betreuten Körper eingegangen waren wie die Litewka und der Rock dieser Uniformträgerin. Agnieszkas Koppel hatte mich gelehrt, so männliches Zubehör als Bindeglied zauberisch weiblicher Körperteile anzuerkennen, doch verhielt sich, was jener Gurt zu bündeln wußte, zu dem, was dieser bündelte, wie das sanfte Wort Kindergärtnerin zum scharfen Wort Oberleutnantin .
    Ferner durfte ich, als ich bei verschärftem Atem die entlastende Last zum Stapel trug und mich erleichtert und mit verschärfter Lust auf dem Rückweg befand, Stiefelschäfte betrachten, an denen nicht nur außen ein großer Glanz, sondern auch ein großer Glanz aus Innen war. Wie Rilke, dem ich die Grammatik hingehen lasse, weil ein Dichter Lizenzen hat, mit dem Glanz aus Innen die Armut meint, was ich bei aller Lizenz nicht hingehen lasse, meine ich mit dem Glanz aus Innen, den ich an den Stiefeln der Offizierin gewahrte, einen Abdruck ihrer Waden, von denen das lederne Schäftedoppel plastisch ahnen ließ, als habe Rodin über die Formen bestimmt, jener Meister, an dessen Figuren die Kritik »stets eine«, sagt mein Großer Brockhaus, »stürmische innere Erregtheit hervorzuheben wußte«.
    Vom nämlichen Rodin ist die Rede, dem Rilke in einer ähnlichen Sekretärsstellung gedient hat wie Eckermann dem Johann Wolfgang von Goethe. Zu ihrem Reichtum unter Leder und Tuch – wir sind bei der Protokollantin im Oberleutnantsrang –, zum Reichtum, der meine innere Erregtheit mehrte und den angemessen abzubilden ich weder über Rodins Meißel noch Rilkes Feder verfüge, kam ein dunkeldunkler Pagenkopf, bei dem mir schwarz vor Augen wurde.
    War ich, bin ich des Teufels, weil ich inmitten der peinlichen Konserven-Untersuchung zu anders peinlichen Lüsten geriet? Keineswegs, es läuft der Versuch, mir auf Nennenswertes zu kommen. Daß ich im wüsten Getümmel kein schönes Gesicht übersah, gehört da hinein. Daß ich gegen Wüstenei mit

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