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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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geworden sei. Weil das Wort seit einem amerikanischen Buch über Managerrevolution in schlimmem Schwange stand, antwortete ich, ich sei Setzer und Drucker.
    »Schriftsetzer und Buchdrucker dazu? Ich hätte es für dasselbe gehalten.«
    Ich schob ihm meinen fast neuen Ausweis über den Tisch, in den das Meldeamt zu meinem Bedauern die Berufsbezeichnung Schweizerdegen nicht eingetragen hatte, und sagte: »Ich bin beides zugleich und kein Manager. Aber über Revolution läßt sich mit mir reden.«
    Er habe mich nicht kränken wollen, sagte er und schlug vor, eine zu paffen. Mit einer Hand hielt er mir ein Etui hin, mitder anderen wollte er mir meinen Ausweis wiedergeben. Aber den nahm Slickmann. Ich wunderte mich über das altmodische Paffen , ich freute mich auf die Zigarette und ärgerte mich über den Eismann, der um Erlaubnis nicht gebeten hatte und mein Papier studierte, als wolle er es fälschen.
    Auch über mich ärgerte ich mich, weil ich wußte, daß ich gleich alles erzählen werde. Zwar zögerte ich den Anfang hinaus, indem ich begeistert zu rauchen oder zu paffen begann, aber dann gab ich Bericht. Gabriel Flair wie Ronald Slickmann nahmen ihn so aufmerksam entgegen, wie er es verdiente.

13
    »Friedrich und Friederike Moeller sind keine Manager, sondern altmodische Eigentümer. Richtige Kleinunternehmer; das Gegenteil von dem, was ich vorher hatte. Vorher hatte ich Parteiauftrag, Lehrer an einer Schule zu sein. Aus der bin ich geflogen; aus der Partei fliege ich das nächste Mal. Damit es nicht passiert, bin ich zu Moellers gegangen. In meinen alten Beruf, zu alten Plänen und alten Gewohnheiten. Dort bin ich die ganze Partei.
    Wenn ich Herrn Moeller widerspreche, trifft es einen Klassenfeind, der nicht weiß, daß er einer ist. Dem man den Ausbeuter nicht ansieht, wenn er den Küchentisch zwischen seinen Zähnen hat. Seiner Frau sieht man es eher an. Sie will die Firma zwischen Philips, Nestlé und Fiat unterbringen. Wir haben es nicht ausgemacht, aber ich trage mein Abzeichen und die Ansichten dazu; sie hat ihre Ansichten, und Abzeichen braucht sie keines. Wenn ich zu Frau Moeller sage, Liebknecht habe den Kriegskrediten anfangs zustimmen wollen und sie erst später abgelehnt, kümmert es sie nicht. Ihr Mann hört gar nicht hin.
    Ich fliege nicht, wenn ich sage, zuerst wollte Liebknecht zustimmen. Aus der Schule bin ich deshalb geflogen. Nicht allein deshalb, aber vor allem. Es war ein Liebknecht ohne Schwanken vorgesehen, und ich habe einen schwankenden vorgetragen. Sie wollten nicht hören, daß Sichbesinnen keinSchwanken ist. Sie wollten hören, von wem ich die Verleumdung hatte, und haben die Schule, an der ich sie erlernte, als Nest angekreuzt. Wer mich das lehrte, wollten sie wissen, und auch den haben sie angekreuzt. Es half nichts, daß ich das Buch nannte, denn das war seit langem angekreuzt. Weil ich nichts verstand, wurde ich entlassen.
    Später erfuhr ich, daß ich eine Enttäuschung war. Pläne habe man gehabt. Empfohlen worden sei ich. Inzwischen frage sich, von wem. Alle Aussichten hatte ich mir verbaut. Wer in alten Büchern kramt, wenn er neue hat, ist eine Belastung. Auch für sich; er soll es als letzte Warnung nehmen.
    Bei Moellers merke ich nicht«, sagte ich, und meine Genossen hörten mir hinter ihren Abzeichen zu, »welche Belastung ich bin. Ich muß wissen, wie Liebknecht geschrieben wird, und nicht, was er geschrieben oder wie er abgestimmt hat. Bei Moeller & Moeller kann ich keinen Fehler machen.«
    Ich hörte mich endlich schweigen, und Gabriel Flair hörte ich sagen: »Dann wollen wir erst einmal eine paffen.« Plötzlich schien der Ausdruck zu stimmen, und plötzlich wußte ich, wie es einmal zum Rauchen gekommen war.
    Die Kellnerin ließ wissen, ein Nikotinverzehr sei in der Gaststätte nicht vorgesehen. So hatte Flair sein Stichwort: »Ah, nicht vorgesehen. Es geht wie in der Werkstätte Moeller zu. Herr Moeller turnt, Frau Moeller geht zu Markt, und ein Bewußtsein des Lohnempfängers über seine Lage ist nicht vorgesehen.«
    Ronald gab mir den Ausweis zurück, als habe er keine Verwendung mehr für ihn. Er wollte wissen, was so wichtig an Liebknechts halbem Schwanken sei, daß man sich deshalb aus einer Lehrerstelle werfen lasse. Er sah sich in der Schenke um und fragte: »Was wäre heute hier oder irgendwo anders, hätte Karl die Sache von Anbeginn abgelehnt?«
    Doch erfuhr er von Flair, das sei eine unsittliche Fragestellung. »Oho«, sagte Ronald und verkniff sich den

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