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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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vertrieben. Dabei hat er mir zwar ein paar Haarsträhnen versengt, aber im Großen und Ganzen bin ich unversehrt. Danke, Leomido!«
    Der alte Mann sah verlegen zu Boden.
    »Die Biester sind gemeingefährlich«, fügte Tugdual hinzu und zeigte ihnen zwei weitere tiefe Bisse in seiner rechten Hand.
    »Willkommen im Klub der Gebissenen!«, sagte Gus, froh, dass er seinem Rivalen endlich etwas voraushatte.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Abakum fürsorglich.
    »Ein bisschen benommen.«
    »Du hast wirklich eine ganz außerordentliche Konstitution, mein Junge. Die meisten können sich schon nach einem einzigen Chiropter-Biss nicht mehr auf den Beinen halten. Trotzdem würde ich die Wunde gern versorgen.«
    Die beiden setzten sich ein Stück abseits der Gruppe. Abakum holte mehrere Fläschchen aus seiner Umhängetasche und bestrich die Wunde mit unterschiedlichen Salben. Oksa beobachtete die beiden aufmerksam. Sie sah, dass Abakums Züge ganz verzerrt waren. Als der Feenmann und Tugdual sich schließlich mit ernster Miene unterhielten, spitzte sie die Ohren.
    »Du hast gesehen, wie Leomido die Mauer durchquert hat?«, fragte Abakum gerade verwundert. »Das ist unmöglich! Deine Augen haben bestimmt unter den Chiropter-Bissen gelitten.«
    »Glaub mir, Abakum!«, versicherte ihm Tugdual nachdrücklich. »Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Es war keine Einbildung, Leomido ist wirklich durch die Mauer gegangen!«
    »Aber das ist unmöglich. Er ist doch kein Mauerwandler!«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Tugdual.
    »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte Abakum mit erstickter Stimme.
    »Du willst es nicht glauben!«, erwiderte Tugdual.
    Erschrocken schlug Oksa die Hand vor den Mund. Ihr Blick wanderte zu Leomido, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Ihr Großonkel sah so unglücklich aus … Sie wandte sich ab, um sich nichts anmerken zu lassen, und betrachtete stattdessen den riesigen runden Raum, der sich hinter der Maueröffnung ausdehnte.

Der Zauber des Zerfalls
    A
bakum war der Erste, der es wagte hineinzugehen. Der Boden, auf dem kleine dreieckige Fliesen ein kompliziertes Muster bildeten, schimmerte im Schein der Fackeln an den Wänden wie Honig. Der Saal mündete in eine riesige Kuppel, getragen von einem Dutzend kunstvoll gearbeiteter Säulen, die sich nach oben hin verbreiterten, als könnten sie so die gewölbte Decke besser tragen. In einem mit Mosaiksteinen verzierten Becken in der Mitte des Raums brodelte sumpfiges Wasser, dessen strenger Geruch in Augen und Nase stach.
    »Bleibt zurück!«, flüsterte der Feenmann.
    Er trat näher, hockte sich an den Beckenrand und versuchte durch das Wasser auf den Grund des Beckens zu blicken. Die einzige wahrnehmbare Bewegung war die von Blasen, die leise blubbernd an die Oberfläche stiegen, dort aufplatzten und dabei bis an den Beckenrand spritzten. Abakum berührte das Wasser mit den Fingerspitzen. Das Becken schien zum Leben zu erwachen, als hätte diese simple Geste es aus einem tiefen Schlaf geweckt. Die Blasen wurden immer größer, und ein übel riechender gelblicher Dunst verbreitete sich in der Luft. Verunsichert wich Abakum einen Schritt zurück.
    »Hier gefällt es mir gar nicht«, murmelte Gus.
    »Hm, ich habe das Gefühl, dass wir wie Ratten in der Falle sitzen! Gruselig, aber echt …«, stimmte Oksa ihm zu.
    »Keine Angst, Kleine Huldvolle! Ich glaube, wir werden ziemlich bald erfahren, was mit uns geschehen soll«, sagte Tugdual. Er hatte den Blick nach oben gerichtet und schaute zu einer schwarzen Gestalt, die auf sie zugeflogen kam.
    Der Rabe ließ sich zu Oksas Füßen nieder und verbeugte sich respektvoll vor ihr. Unwillkürlich bewunderte sie seine glänzenden langen Flügel. Sein goldener Schnabel öffnete sich einen Spaltbreit, und schwarze Rauchwolken stiegen daraus auf.
    »Euer Verdienst ist beachtlich, Junge Huldvolle. Eure Ankunft wurde mit Ungeduld erwartet, und Ihr trefft genau zur rechten Zeit ein.«
    Oksa kniete sich hin, um auf einer Höhe mit dem Vogel zu sein, was dem Raben offensichtlich furchtbar unangenehm war.
    »Nein!«, rief er schroff. »Ihr müsst wieder aufstehen!«
    Erstaunt und verwirrt zugleich gehorchte Oksa. Da schlug der Rabe mit seinen großen Flügeln, stieg in die Luft und verharrte dann flatternd vor ihrem Gesicht.
    »Ich kann nicht lange bleiben«, krächzte er. »Die Schauerlichen sind hinter mir her, auf dem Weg zu Euch glaubte ich tausend Tode zu sterben. Ich fasse mich also kurz: Keine Eurer

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