Oksa Pollock. Die Entschwundenen
vertreiben, und strich sanft über den Kamm des Kapiernix. Plötzlich gesellte sich auch die Sensibylle zu ihnen.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Junge Huldvolle!«, rief sie fröhlich piepsend.
»Was erzählst du mir da?«
»Ihr habt heute Geburtstag!«
»Hör auf damit, das ist nicht witzig«, wies Oksa sie zurecht.
»Ich pflege nicht zu scherzen!«, sagte das kleine Huhn entrüstet. »Heute ist der Jahrestag Eurer Geburt. Ihr seid vierzehn Jahre alt geworden!«
In den Köpfen der Rette-sich-wer-kann begann es zu rattern. Oksa klappte die Kinnlade herunter vor Staunen.
»Dann sind wir also seit zweieinhalb Monaten hier!«, sagte Pavel heiser.
Seine Stimme versagte, weil er an Marie dachte.
»Und ich bin vierzehn Jahre alt!«, stammelte Oksa.
Tugdual setzte sich neben sie. Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kleine Huldvolle!«
Seine Haare strichen über ihre Wange, und seine Lippen streiften irgendwie ihren Mund. Sie zitterte, und weil sie nicht in der Lage war zu reagieren, ließ sie es reglos über sich ergehen.
»Na dann«, sagte Gus mit bebender Stimme. »Wenn wir dieses große Ereignis gebührend feiern wollen, sollten wir uns lieber auf die Socken machen!«
Oksa warf ihm einen dankbaren Blick zu. Er erwiderte ihn mit einem derart traurigen Lächeln, dass ihr die Tränen kamen. Damit es keiner bemerkte, sprang sie schnell auf und rief mit rauer Stimme: »Und wenn wir aus dieser Hölle herauskommen, will ich den größten Geburtstagskuchen auf Erden! Ich betone: auf Erden! Wir treiben uns schon viel zu lange hier herum, oder? Los geht’s! Nach Da-Draußen!«
Schließlich erreichten die Rette-sich-wer-kann unter großem Stöhnen die letzte Stufe der infernalischen Treppe.
»Uff!«, machte Oksa und massierte sich die Waden. »Es hätte keine Stufe mehr sein dürfen.«
»Solange wir sie nicht alle wieder hochgehen müssen, um hier herauszukommen …«, sagte Gus.
»Hör auf mit deinen Unheilsprophezeiungen!«, entgegnete Oksa.
»A propos Unheil: Ich hoffe, wir stecken hier nicht fest«, sagte Tugdual. »Seht nur, die Treppe ist verschwunden. Es sieht so aus, als säßen wir in der Falle. Wenn jetzt jemand auf die Idee kommen sollte, uns Ärger zu machen, wüsste ich nicht, wie wir ihm entkommen sollten!«
Schweigend betrachteten die erschöpften und wehrlosen Rette-sich-wer-kann die mächtige Mauer, die dicht vor ihnen aufragte. Sie blickten nach links und rechts: Die Mauer erstreckte sich zu beiden Seiten, so weit das Auge reichte.
»Die Steinerne Mauer! Wir sind da«, flüsterte Gus.
Die Steinerne Mauer
N
achdem Tugdual und Pierre vergeblich versucht hatten, die Mauer hinaufzusteigen, mussten die Rette-sich-wer-kann bald einsehen, dass die endlos lange und hohe Mauer unüberwindlich war. Im düsteren Zwielicht tasteten sie einen Stein nach dem anderen ab, in der Hoffnung, irgendeinen Mechanismus auszulösen, der einen Durchgang zur Freiheit öffnen und sie aus diesem Albtraum entlassen würde.
»Selbst wenn Ihr noch tagelang sucht, werdet Ihr doch nichts finden«, posaunte die Sensibylle nach sehr langer Zeit heraus.
»Danke, dass du uns Mut machst«, antwortete Oksa, deren Fingerkuppen schon von der Berührung der rauen Steine schmerzten.
»Pfft«, seufzte das Huhn verächtlich. »Wie wäre es, wenn Ihr Euch einfach noch mal vom Freund der Jungen Huldvollen wiederholen lasst, was der Rabe zu ihm gesagt hat?«
Alle Blicke richteten sich auf Gus, der vor Verlegenheit rot anlief. Panik ergriff ihn bei der Vorstellung, dass ihm die Worte des Raben möglicherweise nicht wieder einfallen würden. Die Erschöpfung, die Angst, der Druck, der auf ihm lastete – das alles war nicht gerade förderlich. In seinem Kopf herrschte ein wüstes Durcheinander, und alle Rette-sich-wer-kann starrten ihn erwartungsvoll an. Oksa verstand, wie er sich fühlte.
»Los, Gus«, sagte sie. »Streng dich an! Was hat dir der Rabe über diese verflixte Mauer gesagt?«
Bei diesen Worten legte sie ihm die Hände auf die Schultern und sah ihn ermutigend an. Gus fühlte sich gestärkt und schon einen Augenblick später verkündete er mit triumphierender Miene:
Der Ausweg aus dem Wald-ohne-Wiederkehr
Wird nur gefunden,
Wenn alle vom selben Ziel erfüllt sind.
Danach gebt acht,
Dass nicht die Leere das Leben verschlingt.
Ihr zu entkommen, erfordert Schnelligkeit und Kraft.
Erneut erwächst Gefahr
Durch erbitterte Gewalten
Aus den Gefilden der
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