Oksa Pollock. Die Entschwundenen
blickten einander fragend an.
»Vielleicht ist er weiter wegkatapultiert worden?«, fragte Remineszens, um sich selbst zu beruhigen.
»Kann sein«, sagte Abakum, doch sein Gesicht verriet, dass er etwas ganz anderes dachte.
»Steigt auf, lasst uns erst mal von hier verschwinden«, schlug Pavel vor. »Kurs auf den Bigtoe Square!«
Alle waren so müde, dass sie ihre Angst, entdeckt zu werden, vergaßen und sich auf dem Rücken des Tintendrachen niederließen, der im nächsten Augenblick in den Wolken verschwand.
Genau in dem Moment, als die Uhr von Big Ben zum stummen Zeugen der Entgemäldung der Rette-sich-wer-kann wurde, sprang der Plemplem mit einem Satz auf und posaunte: »Der Erfolg! Der Erfolg!«
Er nahm mehrere Stufen der Wendeltreppe von Dragomiras Streng-vertraulichem-Atelier zu ihrer Wohnung hinunter auf einmal. Der Getorix folgte ihm auf dem Fuß, zerzauster denn je.
»Von welchem Erfolg spricht er?«, wunderte er sich grummelnd. »Von dem, das ganze Haus erfolgreich um drei Uhr morgens aus dem Bett gescheucht zu haben?«
Der Plemplem stürzte zu Dragomiras Zimmertür und riss sie auf, doch die Baba Pollock war schon aufgestanden. Sie schlüpfte gerade in ihren Morgenmantel.
»Die Alte Huldvolle muss die Auskunft erhalten, dass die Entgemäldung dem Erfolg begegnet ist!«, rief er.
»Ich weiß, lieber Plemplem, ich weiß«, sagte sie bewegt. »Ich habe es auch gespürt.«
»Soll die Hausgemeinschaft den Empfang dieser Nachricht tätigen?«, fragte das Geschöpf. »Erteilt die Alte Huldvolle ihrer Dienerschaft die Erlaubnis, ihre Freunde zu unterrichten?«
»Das ist nicht nötig, lieber Plemplem«, dröhnte Naftalis tiefe Stimme durch die Wohnung. »Wir wissen schon Bescheid!«
Er und seine Frau Brune, Jeanne und Zoé standen mit leuchtenden Augen auf der Schwelle. Instinktiv waren sie alle zugleich aufgewacht. Jetzt stürmten sie ungeduldig auf den Balkon, schauten auf den Platz und ließen auch den regnerischen Himmel nicht aus den Augen. Selbst der Plemplem vergaß alle Vorsicht, öffnete das Fenster im obersten Stockwerk und beugte sich hinaus, um die Rückkehr der Rette-sich-wer-kann zu erwarten. Mit seiner Patschhand wischte er sich die Tränen weg, die ihm plötzlich übers Gesicht liefen. Als der Getorix das sah, balancierte er über die Fensterbank zu ihm, legte wider Erwarten sein kleines Köpfchen mit der üppigen Mähne an die Brust des Plemplems und drückte ihn fest an sich.
»Die Ungeduld, die Junge Huldvolle und ihre Freunde wiederzusehen, ist groß«, sagte der Plemplem und schnäuzte sich. »Doch das Wiedersehen ist amputiert, und die Herzen werden bluten …«
»Sind sie nicht vollzählig?«, fragte der Getorix, obwohl er die Antwort ahnte.
»Ganz und gar nicht«, stöhnte der Plemplem. »Die Rechnung geht leider nicht auf.«
Sobald sie sich dem Bigtoe Square näherten, schlug der Tintendrache noch kräftiger mit den Flügeln.
»Gütiger Himmel!«, rief Dragomira beim Anblick der riesigen Drachensilhouette, die sich vom nächtlichen Himmel abhob. »Was ist das?«
»Es sieht aus wie ein Drache, liebe Dragomira«, entgegnete Naftali mit der größten Selbstverständlichkeit.
»Eine Erläuterung kann Euer Verständnis nähren«, meldete sich der Plemplem von seinem Fenster aus zu Wort. »Euer Blick ist auf den Tintendrachen gefallen, der im Herzen des Sohnes der Alten Huldvollen schlummerte.«
»Mein Gott, Pavel!«, sagte Dragomira fassungslos.
Pavel lebte also … Die Baba Pollock atmete tief durch. Ihr Sohn. Ihr einziger Sohn. Sie hatte solche Angst um ihn gehabt. Der Drache drehte noch ein paar Runden über den Bigtoe Square, bis der kleine Platz menschenleer war. Ein Auto fuhr vorbei und verschwand in einer Seitenstraße, und endlich konnten sie landen. Sofort sprangen die Entgemäldeten zu Boden und liefen zum Haus der Pollocks, wo die Daheimgebliebenen sie schon erwarteten.
»Baba!«, jubelte Oksa und warf sich ihrer Großmutter in die Arme.
»Meine Kleine, endlich bist du wieder da! Aber wie siehst du denn aus?«, rief die Baba Pollock und betrachtete das von Schmutz und Erschöpfung gezeichnete Gesicht ihrer Duschka. »Und … was ist mit deinem Vater?«
Ihre große Freude hinderte sie nicht daran, sich doch Sorgen um Pavel zu machen, der gerade wieder menschliche Gestalt annahm. Oksa wandte den Kopf und sah zu ihrem Vater, der zu ihnen eilte.
»Papa war genial. Du hättest ihn sehen sollen, Baba! Er hat gekämpft wie ein Tiger, ich bin wahnsinnig stolz auf
Weitere Kostenlose Bücher