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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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hungrigsten aller Schauerlichen an der Wade der Jungen Huldvollen und wickelte sich dann um ihr Bein. Als Oksa sich entsetzt umdrehte, erblickte sie das widerwärtigste Geschöpf, das sie je gesehen hatte: ein fleischloser Körper, von dem Fetzen geschwärzter Haut herabhingen und der bestialisch stank. Im Gegensatz dazu wirkte der Kopf fast menschlich, wären da nicht die mit schwarzen Adern durchzogenen Augen gewesen und die unendlich lange, dicke, mit Saugnäpfen besetzte Zunge. Oksa stieß einen schrillen Schrei aus. Auch Tugdual neben ihr war gelähmt vor Entsetzen. Doch als er sah, wie die abstoßende Kreatur Oksa mit ihrer kräftigen Zunge zu sich heranzog, stieß er einen wütenden Schrei aus. Aus seiner erhobenen Hand schoss ein dünner Stromfaden, der sich knisternd seinen Weg zur Schauerlichen bahnte, ehe er in Form einer Feuerkugel explodierte. Das Geschöpf ließ los, stürzte zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen in den Flammen, die es verzehrten. Dann geschah das Unglaubliche: Hinter dem Vorhang aus Feuer und Rauch erhob sich die entzweigespaltene Schauerliche wieder und stürzte sich mit schrecklichem Gebrüll auf Tugdual.
    »Wie ist das möglich, warum stirbt sie nicht?«, schrie er wutentbrannt. Dann schlang sich die Zunge mit den Saugnäpfen um sein Handgelenk. Die Augen der Schauerlichen quollen hervor, sie schien fest entschlossen, Tugdual zu vernichten. Keiner der anderen konnte irgendetwas gegen sie ausrichten. Schließlich wurde der entsetzte Tugdual von der unüberwindlichen Kraft der Schauerlichen zu Boden gerissen. Dann schleifte sie ihn gnadenlos über den Boden davon.
    »Wir müssen etwas tun!«, schrie Oksa.
    Abakum feuerte ein Granuk ab, das allerletzte, das er noch besaß. Das Granuk für Notfälle. Die Crucimaphilla schoss wie ein Pfeil los, und die Zeit blieb stehen. Alle Schreie verstummten, und alle Bewegungen verlangsamten sich, während sich ein schwarzes Loch über dem verwesten Schädel der Schauerlichen bildete. Sie hob den Kopf, sah zu der merkwürdigen Erscheinung auf und brach in grässliches Gelächter aus. Ihr weit aufgerissener Mund gab den Blick auf das Höllenfeuer frei, das sie verzehrte, und sie wickelte die Zunge fest um Tugdual, um ihn in den brennenden Schlund zu zerren. Da nahm Oksa all ihren Mut zusammen und schleuderte die Phiole auf das pochende Herz-Erforsch.

»Die Herzen werden bluten …«
    E
in phänomenaler Luftstrom erfasste die Rette-sich-wer-kann und riss sie mit sich. Er war noch mächtiger als der Tornado, der sie weit fort vom Schoß der Ödnis geführt hatte. Einen Augenblick später wurden sie vom Big Ben in den regnerischen, orangerot gefärbten Nachthimmel über London geschleudert.
    »Papa!«, schrie Oksa und ruderte wild mit den Armen in der Luft.
    Wie ein Echo ihres Schreis erklang nun auch der von Gus. Keiner von ihnen war darauf gefasst gewesen, sich hoch oben in der Luft wiederzufinden, und das machte ihnen die Ankunft im Da-Draußen mit seiner unerbittlichen Schwerkraft nicht gerade leicht. Nur Pavel breitete einfach die weiten Schwingen seines Tintendrachen aus.
    »Vertikaliere, Oksa!«, brüllte er. »Ich komme!«
    Mit zwei Flügelschlägen war er bei Gus, der wie ein Stein hinunterstürzte, und nahm ihn zwischen die Krallen. Dann eilte er Abakum und dem Kapiernix zu Hilfe, die sich an den Uhrzeigern von Big Ben festklammerten. Währenddessen musste Oksa sich große Mühe geben, um vertikalieren zu können. Die unerwartete Leere unter ihr hatte sie völlig überrumpelt. Beim Anblick des berühmten Turms erkannte sie, dass sie wieder in London waren. Sie waren gerettet! Doch ihre Ankunft war alles andere als unauffällig. Als der Tintendrache sie mitten in der Luft abfing, glaubte sie, ihr Herz würde stehen bleiben. Ein Mädchen, das in über sechzig Meter Höhe in der Luft schwebte, war ja schon merkwürdig genug. Aber ein am Londoner Himmel fliegender Drache war zweifellos noch unglaublicher. Pavel ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Mit Oksa, Gus, Abakum und dem Kapiernix in den Krallen, suchte er nach Tugdual, Pierre, Leomido und Remineszens. Er erblickte drei von ihnen auf dem nur schwach beleuchteten Platz neben der Westminster Abbey, zu dem sie vertikaliert waren.
    »Tugdual, da bist du ja!«, rief Oksa glücklich. »Ist alles in Ordnung?«
    »Es geht«, antwortete er gepresst. »Den Bruchteil einer Sekunde später wäre es mit mir wohl aus gewesen. Aber wo ist Leomido?«, fragte er, indem er sich umsah.
    Alle

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