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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Bewegung, und was zum jetzigen Zeitpunkt Gültigkeit hat, wird im nächsten Moment vielleicht schon wieder infrage gestellt. Alles hängt von den Umständen und den beteiligten Personen ab: Einige rufen eine Reaktion hervor, andere hingegen verstärken den Status quo. Aber eines steht fest: Egal, was wir tun, wir müssen größte Vorsicht walten lassen.«
    »Können wir Mama nicht befreien?«, fragte Oksa zitternd.
    »Jedenfalls können wir nicht einfach nur abwarten«, sagte Pavel zornig.
    »Du hast recht, Pavel«, pflichtete Abakum ihm bei. »Wir sind zwar in der schwächeren Position, dennoch sind wir am Ball. Im Augenblick haben die Treubrüchigen keinerlei Grund, zu handeln und sich aus ihrer Deckung herauszuwagen: Sie wissen, dass die Entgemäldung stattgefunden hat, sie besitzen eine Goranov und Maloranes Medaillon, sie sind in der Überzahl, und sie können sich auf ihrer Insel in aller Ruhe auf den Aufbruch vorbereiten. Und dass sie Marie in ihrer Gewalt haben, ist ein unschätzbarer Vorteil für sie. Was das betrifft, bin ich derselben Meinung wie die Sensibylle: Marie ist die Voraussetzung für die Rückkehr nach Edefia. Für unsere und ihre.«
    »Außer, wenn Orthon mir geglaubt hat, dass wir auch ohne sie aufbrechen würden«, sagte Oksa und wurde plötzlich leichenblass.
    Ein grauenhafter Gedanke schnürte ihr die Kehle zu, und je mehr sie daran dachte, desto mühsamer ging ihr Atem.
    »Wenn er glaubt, dass wir sie nicht brauchen, um zurückzugehen, wird er sie töten! Warum habe ich das nur gesagt? Warum?«, rief sie.
    Alle schwiegen entsetzt. Dragomira und Abakum warfen sich einen Blick zu.
    »Deine Überlegung, meine Duschka, entbehrt nicht einer gewissen Logik«, sagte die Alte Huldvolle in ruhigem Ton, »aber sie entspricht nicht Orthons Logik.«
    Mit Tränen in den Augen hob Oksa den Kopf.
    »Orthon weiß, dass wir zugunsten des Ziels, das wir verfolgen, niemals einen der Unseren im Stich lassen könnten«, ergriff Abakum das Wort. »In aller Aufrichtigkeit: Wir hätten Gus nicht gebraucht, um unser Ziel zu erreichen. Aber was haben wir getan? Wir haben uns eingemälden lassen, um ihn zu retten. Orthon weiß, welche Risiken wir damit auf uns genommen haben. Wäre er in der Lage gewesen, so zu handeln wie wir? Wohl kaum! Und tief in seinem Herzen weiß er das.«
    Oksa ließ sich Abakums Worte eine Weile durch den Kopf gehen. Langsam wurde sie wieder ruhiger.
    »Der Geist der Rette-sich-wer-kann ist ein Trumpf, dessen Stärke ihr gar nicht ermessen könnt«, sagte Remineszens leise. »Das hat nichts mit den Kräften der Huldvollen, mit Pavels Tintendrachen oder mit Abakums Talenten zu tun. Überhaupt nicht. Ich spreche von der Geisteshaltung der Rette-sich-wer-kann, der Haltung, die eure Herzen leitet. Was euch – und mich hoffentlich auch – miteinander verbindet, hat nichts mit dem zu tun, was die Treubrüchigen eint: Für uns ist Macht etwas, das auf Harmonie abzielt. Die Treubrüchigen hingegen streben danach, weil sie herrschen wollen. Du kannst ganz beruhigt sein, liebe Oksa. Du hast Orthons Überzeugungen ins Wanken gebracht, indem du ihm weisgemacht hast, dass wir auch ohne Marie nach Edefia zurückkehren würden. Aber er wird ihr nichts antun, im Gegenteil. Sie ist ein Trumpf in dem Spiel, das es ihm endlich erlauben wird, denjenigen wiederzufinden, der seine größte Stärke und zugleich seine größte Schwäche ist: unseren Vater Ocious.«

Die ultimative Waffe
    O
rthon hat sehr früh begriffen, dass unser Vater keinerlei Achtung vor ihm hatte«, erzählte Remineszens. »Orthon bewunderte ihn, hatte Respekt vor ihm und fürchtete sich vor ihm. Und seine größte Furcht war es, ihn zu enttäuschen. Alles, was er tat, wurde von unserem Vater bewertet, aber nur selten geschätzt. Ich habe ihn nie etwas Gutes über Orthon sagen hören. Dafür lobte er immerzu alle anderen, insbesondere Leomido.«
    »Der Sohn, den er sich gewünscht hätte«, sagte Dragomira leise.
    »Ich war in derselben Situation wie Orthon – aber im Verhältnis zu dir, Dragomira: Sobald sich herausstellte, dass ich nicht die nächste Huldvolle sein und nicht Maloranes Nachfolge antreten würde, hätte Ocious lieber dich als mich zur Tochter gehabt. Aus diesem Grund hatte er Malorane ja überhaupt verführt – er hoffte auf eine Tochter, die ihre Nachfolge antreten und damit seine Macht sichern würde. Als du zur Huldvollen auserwählt wurdest, musste ich seine Enttäuschung und seine Geringschätzung ertragen. Ich

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