Oksa Pollock. Die Entschwundenen
Dienerschaft«, sagte der Plemplem und schnäuzte sich geräuschvoll.
Oksa warf dem kleinen Geschöpf neben ihr einen Blick zu. Der Plemplem, der unter dem Verlust seiner Gefährtin litt, trug dieselbe Miene zur Schau wie alle anderen: besorgt und traurig.
»Wie geht es dir, lieber Plemplem?«
»Das Überleben des Körpers entspricht einem unfreiwilligen Reflex, Junge Huldvolle, denn das Herz Eurer Dienerschaft hat die Beschaffenheit eines Muskels, der die Produktion automatischer Schläge befiehlt. Und das, obwohl es die untragbare Entbehrung derjenigen kennt, die jahrzehntelang seine Gefährtin war.«
Mitfühlend beugte sich Oksa zum Plemplem hinunter und nahm ihn in die Arme. Seltsamerweise durchströmte sie bei der Berührung dieses kleinen Geschöpfs eine Welle des Wohlgefühls, die genauso tröstlich für sie war wie ein Schluck frischen Wassers für eine durstige Kehle.
»Kennt die Junge Huldvolle die innere Unruhe?«
»Ich sehne mich danach, meine Mutter bald wiederzusehen«, sagte sie mit einem Seufzer. »Kannst du, der du so viel weißt, mir etwas darüber verraten?«, fuhr sie fort, als ihr einfiel, dass der Plemplem nur dann etwas sagte, wenn man ihn direkt danach fragte.
»Die Mutter der Jungen Huldvollen erduldet das Leiden der Entfernung von ihren Lieben, doch sie erleidet nicht die Verschlimmerung ihres Zustandes. Dank des medizinischen Wissens von einigen der vermaledeiten Treubrüchigen betreibt die Krankenschwester namens Annikki die Verrichtung von Pflege, gespickt mit Wirksamkeit.«
»Willst du damit sagen, dass sie Tochalis haben?«
Der Plemplem schüttelte den Kopf.
»Die Treubrüchigen sind nicht im Besitz des obersten Heilmittels, denn, wie der Feenmann den Hinweis gegeben hat, das höchste Heilmittel findet sich nur in Edefia, im Unzugänglichen, wo sein Wachstum der Fülle begegnet. Doch die Treubrüchigen sind auf die Beherrschung von Arzneien gestoßen, die die Senkung des Fieberzustands bewirken, unter dem die Mutter der Jungen Huldvollen gelitten hat. Und Eure Dienerschaft kann die Verkündung mitteilen, dass der Mutter der Jungen Huldvollen bald das Wiedersehen mit den Rette-sich-wer-kann widerfahren wird.«
»Das sagst du nicht nur, um mich zu beruhigen, oder?«, fragte Oksa nach.
Der Plemplem sah sie betrübt an.
»Die Huldvollen-Dienerschaft unterliegt nicht der lügnerischen Fähigkeit; die Junge Huldvolle muss von dieser Gewissheit ausgehen und das unerschütterliche Vertrauen in ihren Plemplem besitzen.«
»Du hast recht, entschuldige, lieber Plemplem«, antwortete Oksa und tätschelte ihm den Kopf. »Aber ich mache mir solche Sorgen, weißt du?«
»Die Junge Huldvolle verfügt über die Erklärungen des Wackelkrakeels, das Berichte über die Hebriden geliefert hat, gespickt mit tröstlichen Details. Aber ist sie auf die Idee gestoßen, der Sensibylle ihre Fragen vorzulegen?«
»Nein!«, rief Oksa und schlug sich auf die Stirn. »Danke, lieber Plemplem, du hast recht, sie kann mir sicher weiterhelfen!«
Pfeilschnell rannte sie die Treppe zur Wohnung ihrer Großmutter hoch.
»Darf ich die Sensibylle kurz sprechen, Baba? Bitte!«
Dragomira nickte und wies in Richtung des weit geöffneten Kontrabasskastens. Oksa trat hindurch und stand schon im Streng-vertraulichen-Atelier. Der Getorix, der einen Staubwedel in der Hand hielt, begrüßte sie.
»Einen guten Tag wünsche ich Euch, elegante Junge Huldvolle!«
»Hallo, Getorix! Weißt du, wo ich die Sensibylle finden kann?«
Der Kapiernix, der mitten im Raum stand, starrte Oksa verständnislos an.
»Wer ist diese Person? Und diese sprechende Fellkugel neben ihr, wer ist das?«, fragte er.
Seufzend verdrehte der Getorix die Augen zum Himmel.
»He, Kapiernix!«, rief er. »Schau mich doch noch mal genauer an: Ich bin der Ge-to-rix!«
»Der Getorix? Ein hübscher Name. Kennen wir uns?«
»Erst seit achtzig Jahren!«
»Aha, das erklärt alles!«, erwiderte der Kapiernix erleichtert.
Oksa lächelte, wie jedes Mal, wenn der Kapiernix den großen zahnlosen Mund aufmachte.
»Es wird nicht besser mit ihm«, stellte sie fest.
»Es wird nie besser werden mit ihm, wollt Ihr wohl sagen!«, schimpfte der Getorix gereizt. »Aber Ihr wolltet doch die Sensibylle sehen, oder? Schaut mal am Kamin nach.«
Oksa trat zum Kamin. Die Sensibylle lag unter einer winzigen Decke, wenige Zentimeter von der Glut, die noch von der vergangenen Nacht übrig war.
»Hallo, Sensibylle«, flüsterte sie und tätschelte das kleine Huhn sachte
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