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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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jungen Mädchen beigemessen werden, denn es schließt Huldvolles Blut ein.«
    Stirnrunzelnd ließ sich die Alte Huldvolle auf das Sofa gegenüber von Zoé fallen. Trotz des Vorwurfs, den sie dem Plemplem gerade gemacht hatte, ahnte sie dunkel, dass die Ankunft des Mädchens, das einen so bemitleidenswerten Anblick bot, das Leben aller Rette-sich-wer-kann auf den Kopf stellen würde.
    Als Zoé erwachte, saß Dragomira ihr gegenüber und beobachtete sie. Es war Zoé sehr unangenehm, doch im Blick der Baba Pollock lag keine Feindseligkeit.
    »Hallo, Zoé«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Geht es dir besser?«
    Zoé stieß ein kaum hörbares »Nein« aus. Da beugte sich Dragomira über sie, nahm behutsam ihre Hand und flüsterte liebevoll: »Du fürchtest dich, das kann ich verstehen. Ich an deiner Stelle würde mich auch fürchten. Du musst aber wissen, dass ich nichts Böses im Sinn habe. Du kannst mir vertrauen.«
    Zoé warf Dragomira einen schüchternen Blick zu. Sie fühlte sich ein wenig beruhigt, vor allem aber von Hoffnung erfüllt.
    »Wie wäre es, wenn du mir alles von Anfang an erzählen würdest?«, fragte die alte Dame.
    Nach kurzem Zögern fasste Zoé sich ein Herz, und die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Sie schluchzte herzzerreißend, so schmerzhaft waren ihre Erinnerungen. Dennoch redete sie weiter, redete und weinte gleichzeitig, ohne aufhören zu können, während Dragomira ihre Hand streichelte. Nach und nach erkannte die Baba Pollock, von welchem Irrtum der Plemplem gesprochen hatte.
    »Orthon ist also nicht dein Vater, Zoé?«, fragte sie schließlich so einfühlsam wie möglich.
    »Nein! Meine Großmutter war seine Zwillingsschwester. Sie sagte einmal, wenn ich je Hilfe bräuchte, sollte ich mich an Sie wenden. Sie sei die Einzige, die mir helfen könnte.«
    Dragomira war tief gerührt. Sie sah das Mädchen forschend an.
    »Sie hat Sie sehr bewundert, wissen Sie«, sagte Zoé. »Ich habe Fotos von ihr – wenn Sie sie sehen möchten?«
    »Natürlich!«, antwortete Dragomira mit belegter Stimme.
    Zoé holte das Fotoalbum aus ihrer Tasche und reichte es Dragomira, die es vorsichtig entgegennahm. Während sie es langsam durchblätterte, wurde sie von einem heftigen Schwindel erfasst. Sie sah von Zoé zu den Fotos und zurück, und mit jeder Seite steigerte sich ihre Verblüffung.
    »Meine Großmutter kannte sich mit allen möglichen Dingen gut aus – besonders mit Steinen und Edelsteinen«, erzählte Zoé weiter. »Sie war Diamantschleiferin und hat immer bei uns gelebt, bei meinen Eltern und mir, weil sie meinen Vater so sehr liebte. Er war ihr einziges Kind. Als er starb, hat sie mir ihre ganze Liebe und ihre ganze Kraft geschenkt, das weiß ich. Wir haben oft die Tränen unterdrückt, um uns nicht gegenseitig noch trauriger zu machen; es fiel uns beiden schwer, so zu tun, als wären wir stark. Ich hatte meine Eltern verloren, aber sie ihren Sohn.«
    »Wie schrecklich«, sagte Dragomira. Dann deutete sie auf die aufgeschlagene Seite des Albums und fragte: »Ist das dein Vater auf den Fotos?«
    »Ja.«
    »Er sah sehr gut aus.«
    Dragomira betrachtete lange Zeit die Bilder von Zoés Vater. Ihr kam ein ungeheuerlicher Gedanke. Den Blick immer noch auf das Album gerichtet, sagte sie mit zitternder Stimme: »Ich möchte dir eine Frage stellen, Zoé. Wie hieß dein Vater? Und wann wurde er geboren?«
    »Mein Vater wurde am 29. März 1953 geboren. Sein Name war Jan Evanvleck.«
    Bei diesen Worten sackte Dragomira fassungslos in sich zusammen. All die neuen Informationen wirbelten ihr durch den Kopf. Sie versank in einem Strudel aus schmerzlichen Erinnerungen und Geheimnissen, an die seit über fünfzig Jahren nicht gerührt worden war.
    Heute wusste Zoé, was sie mit den Pollocks verband, und gleichzeitig verstand sie, weswegen Oksa ihr gegenüber so feindselig gewesen war. Doch jetzt waren die beiden Großcousinen unzertrennlich, verbunden durch den weitverzweigten Stammbaum der Pollocks und der McGraws, vor allem aber durch eine tiefe Zuneigung. Es war nicht leicht gewesen, Oksas Vertrauen zu gewinnen. Sie hatte es Zoé sehr übel genommen, dass sie ihr die Seife, den Auslöser von Maries schwerer Krankheit, geschenkt hatte. Doch Oksa war klug, sie hatte bald begriffen, dass Zoé nur ein Spielball in Orthons Händen gewesen war. Und obwohl sie unterschiedliche Gründe dafür hatten, hassten Zoé und die Junge Huldvolle den Treubrüchigen gleichermaßen. Ihre Freundin fehlte ihr sehr … Seit

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