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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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ich weiß auch, dass das nie aufhören wird.«
    Sie schaute Oksa an.
    »Du hast recht, er will der Welt beweisen, dass er der Allergrößte ist. Wobei ich vielleicht noch einen wichtigen Aspekt hinzufügen würde: Diese Anerkennung kann er nur im Vergleich mit den Mächtigen dieser Welt erhalten. Er will auf einer Ebene mit ihnen stehen, will als einer von ihnen gelten, nur um sie dann noch übertrumpfen zu können. Seit ich ihn kenne, wird er vom Gedanken des ständigen Wettstreits beherrscht. Immer will er der Beste sein.«
    Sie holte tief Luft und legte die Hände in den Schoß.
    »Die Demütigungen, die er als Kind und Jugendlicher erdulden musste, haben aus ihm einen Mann gemacht, der nicht verstehen kann, dass es keine Perfektion gibt. Diese Perfektion hat er in erster Linie immer selbst verkörpert, aber er hat sie auch von uns gefordert, von Mortimer und mir. Im Lauf der Jahre wurde unser Leben an seiner Seite einfach unerträglich. Orthon hat zu viel von uns verlangt, und was wir auch getan haben, es war nie gut genug für ihn. Wenn er nicht zufrieden war, bekam er einen Wutanfall. Wir haben sehr unter ihm gelitten, mein Sohn und ich. Diese Krisen wechselten mit anderen Phasen, in denen er auf einmal wieder überaus liebevoll war, besorgt um unser Wohlergehen. Das war sehr verunsichernd.«
    »Die Familie war ihm schon immer sehr wichtig«, merkte Abakum an.
    »Ja, das stimmt. Aber ich erzähle euch das alles nur, damit ihr auf der Hut seid, auch wenn ihr es zweifelsohne selbst schon wisst: Orthon ist besessen davon, erfolgreich zu sein. Und Erfolg bedeutet für ihn einzig und allein, Macht zu haben und zu herrschen. Dem ordnet er alles unter, und so kann er Gut nicht mehr von Böse unterscheiden. Ihm sind alle Mittel recht.«
    Diese Worte bestätigten die schlimmsten Befürchtungen der Rette-sich-wer-kann. Oksa richtete sich kerzengerade auf. Ihr fiel plötzlich wieder ein, was Tugdual vor ein paar Monaten – eine Ewigkeit war das her – einmal gesagt hatte.
    »Der Typ ist der Teufel in Person. Habt ihr das denn noch nicht gemerkt? Er will die Welt erobern und uns alle zu seinen Füßen kriechen sehen … Er hat angefangen, das totale Chaos zu verbreiten, und ich bin überzeugt, dass sich viele Leute in dieser Welt seiner Sache anschließen könnten … Er ist in der Lage, uns alle zu unterwerfen, und das wisst ihr so gut wie ich.«
    Damals hatte ihm niemand wirklich zugehört. Tugdual war ja nur ein verwirrter, gestörter Jugendlicher, der ständig übertrieb. Und doch …
    »Du besitzt den letzten Schlüssel, Kleine Huldvolle«, hatte er zu Oksa gesagt. »Und der letzte Schlüssel bedeutet die höchste Macht.«
    Oksa holte tief Luft.
    »Nichts und niemand wird Orthon je aufhalten können«, sagte sie mit einer Klarheit wie nie zuvor. »Niemand außer uns …«
    Fragend blickte sie ihren Vater an, dann Abakum, Barbara und Gus, als suche sie in deren Augen nach Zustimmung. Obwohl sie wusste, dass sie die längst hatte.
    »Von jetzt an wird er nicht mehr uns jagen, sondern wir ihn!«
    Sie war selbst überrascht, als sie sich das sagen hörte. Sie ließ sich gegen die Stuhllehne sinken und pfiff leise durch die Zähne.
    »Orthon, diesmal wirst du nicht gewinnen, das kann ich dir versprechen. Falls du noch nicht weißt, wozu die Rette-sich-wer-kann und die Huldvolle Oksa fähig sind, wirst du es sehr bald herausfinden!«

Mit beschränkten Mitteln
    D as Haus am Bigtoe Square hatte zunächst am ehesten einer Intensivstation geglichen, doch ganz allmählich verwandelte es sich in einen Ort der Genesung.
    Marie Pollock erholte sich langsam – dank der sagenhaften Wirkung der Tochalis und der guten Pflege, die man ihr angedeihen ließ. Sie bekam rosige Wangen, und die Beweglichkeit ihrer Arme und Beine verbesserte sich von Tag zu Tag. Oksa ging das Ganze zwar viel zu langsam, doch Marie und alle anderen fanden, dass ihre Fortschritte an ein Wunder grenzten.
    »Der Rückzug der Krankheit begegnet dem Triumph!«, rief der Plemplem immer wieder voll Begeisterung. »Die Robiga nervosa wird aus dem Körper der Mutter meiner Huldvollen vertrieben!«
    Und er war nicht das einzige Geschöpf, dem das Wohlergehen von Oksas Mutter am Herzen lag: Die Pizzikins blätterten für sie die Seiten der Zeitschriften und Bücher um, die sie zum Zeitvertreib las, die Sensibyllen konnten gar nicht genug davon bekommen, ihr langes Haar zu bürsten, der Kapiernix manikürte ihr hingebungsvoll die Fingernägel – eine ungeahnte

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