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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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lag. Die hatten sie beim Aufräumen übersehen! Die Invisibellen waren zwar überaus nützlich, hatten aber den Nachteil, dass man in ihrem Schutz handlungsunfähig war: Nichts und niemand konnte Oksa berühren, doch Oksa konnte auch nichts berühren. Also blieb ihr nur zu hoffen, dass die Maus nicht alles verraten würde …
    Im Augenblick war Orthons Aufmerksamkeit jedenfalls bei den widerwärtigen Chiroptern, die sich wie nach einem langen Schlaf streckten und ihre Flügel ausbreiteten. Dann setzte er seine Inspektion fort, ohne dass ihm irgendetwas anzumerken war. Sein kahler Schädel glänzte im Schein der Deckenlampe.
    »Setzt euch«, sagte er schließlich und bedeutete seinen Begleitern, sich auf den Ledersesseln niederzulassen, die um einen flachen Tisch herum gruppiert waren.
    Gregor und Markus Olsen setzten sich schweigend rechts und links von Orthon. Der vierte Teilnehmer dieser illustren Runde schien einen Moment lang zu zögern, welchen Platz er wählen sollte.
    Oksa musste den Rücken fest gegen die Wand stemmen, um gegen das Schwindelgefühl anzukämpfen, das sie überkam.
    Sie saß direkt in Tugduals Blickfeld.
    Tugdual.
    Kälter, geheimnisvoller und faszinierender denn je.

Der neueste Stand
    T ugdual war nicht tot. Natürlich nicht.
    Weder Oksa noch Gus, noch irgendjemand anders in ihrer Umgebung hatte das jemals geglaubt. Nur der Rest der Welt war davon ausgegangen, dass er mit dem Sprung in die Niagarafälle seinem Leben ein Ende gesetzt hatte.
    »Bis jetzt ist also alles nach Plan verlaufen!«, sagte Orthon zufrieden.
    Oksa stellte fest, dass die Zeit spurlos an ihm vorüberzugehen schien. Allen, die sie kannte, sah man die Strapazen, den Kummer und die Entbehrungen der vergangenen Zeit deutlich an: Abakum, ihren Eltern, sogar Zoé und Kukka … Nur Orthon konnten all die Monate und Jahre offenbar nicht das Geringste anhaben. Als wäre er nie jung gewesen und würde auch nie alt sein.
    Seine schlichte, beinahe asketische Eleganz betonte noch den Eindruck von Macht und Unüberwindlichkeit, den er ausstrahlte. Er hatte die Ellbogen auf die Sessellehnen gestützt, die Handflächen aneinandergelegt, die Beine gekreuzt und saß so kerzengerade da, wie Oksa es seit jeher von ihm kannte. Doch nun zeichnete sich auf seinem Gesicht noch ein neuer Zug ab: der blinde, maßlose Fanatismus eines Psychopathen.
    »Und? Was machen unsere Einkäufe?«
    Gregor hatte einen Tablet-Computer auf dem Schoß und fuhr mit dem Finger über den Bildschirm.
    »Die Hälfte der Weizen-, Reis-, Zucker- und Kakaovorräte der Welt gehört dir, Vater. Und jene deiner Handelspartner, die mit deinen Bedingungen einverstanden sind, haben sich bereits verpflichtet, ihre nächsten Ernten ebenfalls für dich zu reservieren. Einige andere müssen noch überzeugt werden, aber das dürfte in den nächsten zwei Wochen auch erledigt sein.«
    »Die wunderbare Macht des Geldes!«, sagte Orthon zufrieden. »Ich wundere mich immer wieder, wenn ich merke, wie wenig die Menschen ihr entgegenzusetzen haben. Aber fahre fort, mein Sohn, fahre fort.«
    »Es gibt kein Gramm Soja mehr, keine Kartoffel, kein Haferkorn, das nicht dir gehört. Außerdem wirst du in wenigen Stunden im Besitz des gesamten Rüben- und Maisvorrats der Welt sein.«
    Orthon brach in lautes Gelächter aus.
    »Dann haben wir es den Dummköpfen, die unbedingt Kraftstoff aus Lebensmitteln gewinnen wollen, also gründlich gezeigt! Wenn Milliarden von Menschen am Hungertuch nagen, hat es doch gar keinen Sinn mehr, einen so großen Teil der Ernte zu opfern, um diese ganzen dämlichen Autos anzutreiben, oder?«
    Doch plötzlich verfinsterte sich seine Miene.
    »Da, wo ich herkomme, haben wir die Prioritäten niemals derart aus den Augen verloren. Nie wäre uns die Situation so entglitten.«
    Markus Olsen nickte. Tugdual hingegen schien das Gespräch überhaupt nicht mitzubekommen, sein Blick war völlig ausdruckslos. Doch Oksa hätte schwören können, dass er beim Anblick der auf dem Boden liegenden Computermaus kaum merklich schauderte. Unendlich langsam bewegte er den Zeigefinger, die Maus schwebte in die Luft, drehte sich um die eigene Achse und landete auf dem Schreibtisch, ohne dass irgendjemand es bemerkte. Außer Oksa, die fast in Ohnmacht gefallen wäre. Aufmerksam betrachtete Tugdual die Ecke des Zimmers, in der sie saß und kaum zu atmen wagte. Seine eisblauen Augen verengten sich, und eine leise Traurigkeit schlich sich in seine Züge.
    Spürte er, dass sie da war? Konnte

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