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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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sie weiter, dicht gefolgt von Gus.

    Der Mann wusste, dass sein Chef kein gewöhnlicher Mensch war. Er hatte sich einfach immer blind und taub gestellt, wenn er sah, wie der Meister durch die Luft schwebte, wie er aus der Ferne Gegenstände bewegte oder einen seiner Kollegen »malträtierte«. Diskretion und absoluter Gehorsam waren unverzichtbare Voraussetzungen für diesen Job und auch für sein eigenes Überleben.
    Früher war er Hausmeister von Luxushotels in den schönsten Städten der Welt gewesen, hatte ein elegantes und feines Leben geführt, bis er wegen Betrugs und Schmuckdiebstahls von Interpol verhaftet worden war. Dabei war das doch Kleinkram gewesen, so stinkreich, wie diese Leute waren! Seine Verurteilung und die Enthüllungen darüber, welch ein Vermögen er im Lauf seiner Karriere angehäuft hatte, hatten ganz schön Aufsehen erregt. Seiner Meinung nach war das alles übertrieben, nur wegen dieser lächerlichen zwanzig Millionen Dollar, die er sich unter den Nagel gerissen hatte.
    Dabei hatte niemand zur Kenntnis nehmen wollen, was für eine ungeheuerliche Anstrengung das gewesen war. Niemand wollte den Ästheten in ihm sehen, den außergewöhnlichen Menschen mit einer Leidenschaft für schöne Dinge.
    Niemand, außer seinem Meister Orthon, der ihn aus dem schauderhaften Gefängnis Pelican Bay befreit hatte, in das er verlegt worden war. Wenn man bedachte, wie gering seine Chancen gewesen waren, die Gefängnishölle zu überleben, dann war diese »Hilfe« jedenfalls jedes Versprechen, nichts zu sehen, zu hören und zu sagen, wert.
    Als der Mann sich umdrehte und zwei Jugendliche in der Tür stehen sah, war er vor Überraschung wie gelähmt. Er kannte jeden Einzelnen auf der
Salamander
. Aber nicht diese beiden. Seine Stärken – List und Geschicklichkeit – machten ihn nicht gerade zu einem Mann der Tat. Deshalb blieb er mit einem Stapel Teller in den Händen wie angewurzelt stehen, bis Oksa ihn mit einem Arboreszens endgültig bewegungsunfähig gemacht hatte. Wobei ihm jedoch die Teller aus der Hand fielen. Die Vorstellung, wie haufenweise Porzellan mit einem absoluten Höllenlärm auf dem gefliesten Boden zerschellte, materialisierte sich so blitzschnell in Oksas Gehirn, dass das Mädchen, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, einen Magnetus einsetzte –
Das-Mädchen-mit-dem-Magnetus-der-schneller-als-ihr-Schatten-ist
taufte Gus sie später. Die Teller flogen wie Frisbeescheiben zur Arbeitsplatte und stapelten sich dort unter dem fassungslosen Blick des Mannes fein säuberlich wieder auf.
    Oksa ekelte sich zwar davor, schoss aber dennoch ein Knebelgranuk auf ihn ab. Das fette Insekt krallte sich mit seinen winzigen Beinen auf den Lippen des Mannes fest, sodass kein Ton mehr aus seinem Mund dringen konnte.
    »Komm, wir legen ihn da hin!«, sagte Oksa.
    Sie zogen den außer Gefecht gesetzten Mann zu einer Tür, hinter der sich ein Wäscheraum verbarg, und schafften ihn hinein.
    »Das trifft sich hervorragend!«, rief Gus. »Hier kann ich mir gleich eine Uniform in der passenden Größe aussuchen.« Er wühlte in den auf Ständern hängenden identischen schwarzen Kleidungsstücken mit dem roten
Salamander
-Logo: dicke Stoffhosen, langärmelige T-Shirts, Rollkragenpullis, Wolljacken, wollene Mützen und halbhohe Stiefel. Rasch wählte er je ein Teil in seiner Größe aus und zog es sich über.
    Oksa wechselte einen Blick mit Gus und schaute noch einmal auf den gefesselten und geknebelten Mann.
    »Geschieht ihm ganz recht!«, stellte sie zufrieden fest. »Der hat eine richtige Treubrüchigen-Visage.«
    Dann verschwand sie unter ihren Invisibellen.
    »Und wie soll ich jetzt wissen, wo du bist?«, fragte Gus beunruhigt.
    Oksas Hand erschien plötzlich vor ihm. Gus grinste.
    »Fast wie das ›Eiskalte Händchen‹ bei der
Addams Family

    Oksas Lächeln konnte er nicht sehen, doch er spürte ihre Hand in seiner. Sie befreite ihren Mund von den Invisibellen, damit er hören konnte, was sie sagte.
    »Jetzt hör schon auf zu kichern. Wir müssen Orthons Büro finden.«
    Das Wackelkrakeel hatte die Räumlichkeiten perfekt ausgekundschaftet. Das berüchtigte Büro befand sich genau dort, wo das Geschöpf gesagt hatte: im vierten Stock, zwischen dem Labor und dem Computerraum.
    Ein fensterloser, gepanzerter, mit Spionspiegeln verkleideter Raum mit Blick auf die angrenzenden Säle – so die Informationen des kleinen Kundschafters –, das eigentliche Zentrum des Ganzen. Von hier ging alles aus, und hier

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