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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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geworden.«
    »Findest du?«
    »Du bist Ocious und Orthon entkommen.«
    »Aber das reicht doch nicht!«
    »Es ist das Wichtigste. Der Rest ist Nebensache.«
    Oksa wandte ihm abrupt den Kopf zu.
    »Ist dir klar, was du da sagst?«, fragte sie, während Tugdual den Blick stur auf den Horizont gerichtet hielt.
    »Und ist dir klar, was für eine Bedeutung du für die Menschen hast?«, fragte er zurück.
    Oksa sagte nichts darauf. Es war nicht das erste Mal, dass sie darauf hingewiesen wurde. Beschämt biss sie an einem Fingernagel herum.
    »Was ist eigentlich in den Bergen von Steilfels passiert?«, fragte sie dann unvermittelt.
    Tugdual holte tief Luft, streckte sich und ließ die Fingergelenke knacken.
    »Das hat Edgar doch schon erzählt«, sagte er.
    »Edgar hat gar nichts erzählt!«, widersprach Oksa ärgerlich. »Er hat bloß gesagt …«
    »… was du wissen musst«, unterbrach Tugdual sie knapp.
    Oksa löste sich von ihm. Ihre Wangen waren rot, und ihre Augen funkelten tiefschwarz wie Kohle.
    »Ich versuche nur zu verstehen … wer du bist«, murmelte sie.
    »Dazu müsste ich erst einmal selbst verstehen, wer ich bin, findest du nicht?«
    Oksa schwieg einen Augenblick, trotz ihres Ärgers. Ihr Atem ging schneller.
    »Warum vertraust du mir nicht?«, brachte sie schließlich heraus.
    Diesmal blieb Tugdual stumm. Man hätte meinen können, er habe die Frage gar nicht gehört. Und dann brach auf einmal alles aus ihm heraus.
    »Was soll ich dir denn erzählen? Wie weh es mir getan hat, dich bei Ocious zurückzulassen? Dass der Gedanke, alles verloren zu haben, mich fast wahnsinnig gemacht hat? Dass ich mich in die Berge geflüchtet habe, ohne auf Rettung zu hoffen? Die Hellhörigen hätten mich beinahe umgebracht, obwohl ich sie in Rauch und Asche hätte verwandeln können. Aber ich habe so gelitten, dass es mir egal war, ob ich sterbe, wenn du es genau wissen willst. Ich habe nur zugelassen, dass diese Leute mich retten, weil sie mich brauchten. Kannst du dir überhaupt vorstellen, was das bedeutet? Ich wollte nur weiterleben, weil ich gebraucht wurde!«
    Oksa war wie vor den Kopf gestoßen. Sie hielt den Atem an und wagte eine ganze Weile nicht, sich zu rühren, bis sie schließlich so heftig nach Luft schnappte, als wäre sie gerade aus einem Albtraum hochgeschreckt. Und ihre Verwirrung verflog auch nicht, als Tugdual ihr Gesicht in die Hände nahm und sie küsste – ein Kuss, der nach seinem Geständnis umso intensiver und inniger war.
    »Mit dir muss man echt einiges aushalten können«, murmelte sie.
    Plötzlich zuckte Tugdual zurück, suchte mit den Augen das dichte Grün um sie herum ab und fasste Oksa dann rasch bei der Hand.
    »Wir müssen hier weg!«, stieß er hervor. »Ocious’ Männer kommen!«
    Und alle beide stürzten sich von der luftigen Plattform hinab ins Leere.

Verfolgungsjagd im Wald
    O
ksa fiel wie ein Stein.
    »Vertikaliere!«, schrie Tugdual.
    »Ich kann nicht!«, schrie Oksa zurück, während ihre Arme unkoordiniert herumwirbelten.
    Sofort stürzte sich Tugdual zu ihr hinunter, packte sie und bremste ihren Sturz, der sonst hätte tödlich enden können.
    »Doch!«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Du kannst.«
    Wie ein Radar suchten seine Augen die Umgebung ab. Er lockerte seinen Griff um Oksa ein wenig, und sie fand Zeit, ihre lähmende Panik abzuschütteln. Einige Meter unter ihnen durchkämmten Männer in Lederrüstungen den Wald. Mehr brauchte Oksa nicht zu sehen: Schlagartig fand sie ihre Konzentration wieder, schwang sich in die Lüfte auf und folgte Tugdual. Nach einiger Zeit erreichten sie das andere Ende von Laubkroning. Der Gürtel aus verdorrter Vegetation war nur noch ein paar Meter entfernt. Tugdual führte Oksa auf eine Plattform, auf der vier verlassen wirkende Wohnungen errichtet waren. Außer Atem ließen sie sich darauf nieder.
    »Hol auf keinen Fall dein Granuk-Spuck heraus, verstanden?«, warnte Tugdual sie. »Sonst würde man uns rasch erkennen.«
    Er stieß sie unter eine verdorrte Weinlaube und presste sich unter dem welken Laub an sie. Ein paar Sekunden später flogen etwa zwanzig Soldaten in vollem Tempo an ihnen vorbei. Tugdual legte Oksa die Hand auf den Mund.
    »Sie suchen dich …«
    Oksa riss entsetzt die Augen auf.
    »Was machen wir jetzt?«, stammelte sie.
    Tugdual blickte sich vorsichtig um.
    »Wir fliegen zum Königlichen Baum zurück. Wenn du eine von Ocious’ Patrouillen siehst, bleibst du so gelassen wie möglich und tust, als wärst du von hier.

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