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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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Rest leer, obwohl ihr die Kehle so zugeschnürt war, dass es wehtat.
    »Kleine Huldvolle, ich möchte dir etwas zeigen«, meldete sich plötzlich Tugdual zu Wort. »Mach mir die Freude und komm mit.«

Tête-à-Tête in Laubkroning
    O
ksa war überrascht, dass ihr Vater und Abakum sie so einfach gehen ließen. Zwar nicht, ohne sie und Tugdual mit einer Lawine von Mahnungen und guten Ratschlägen zu überschütten, aber die Freiheit, die sie ihr zugestanden, war doch etwas Neues für sie. Der Hauptgrund dafür war, dass Ocious’ Truppen lediglich einen Gürtel rings um Laubkroning sowie einige strategische Orte wie Ausgänge, Plätze und das Händlerviertel besetzt hielten.
    Nachdem die beiden jungen Leute eine endlose Zahl von Stufen emporgestiegen waren, erreichten sie die Außenwelt, und Oksa sog die frische Luft der Baumstadt in ihre Lunge. Am Vorabend hatte sie ein paar bruchstückhafte Eindrücke von der Pflanzenstadt erhascht, doch erst jetzt eröffnete sich ihr deren tatsächliche Größe und Lebendigkeit.
    Der Baum, auf dem sie und Tugdual sich befanden, stand mitten in dem ausgedehnten Wald. Prachtvoll, wie er war, konnte man ihn wahrlich als einen König des Waldes bezeichnen. Die untersten Äste breiteten sich gut und gern zwanzig Meter über dem Boden aus. Über eine in den Stamm gehauene Treppe erreichte man eine Plattform, auf der etwa zehn Wohnungen errichtet waren. Tugdual nahm Oksas Hand und legte sie auf die Rinde.
    »Hey, er atmet ja!«, rief sie und legte die Wange an den Stamm, um den gleichmäßigen Atem des Baums zu spüren.
    »Das ist unglaublich!«, rief sie mit leuchtenden Augen.
    Tugdual lächelte ihr zu und zog sie zwischen die Behausungen. Wegen des meterhohen Laubwerks über ihnen war es hier ziemlich dämmrig. Als ein Lichtstrahl durch das Grün bis zum Boden drang, stieß Oksa einen Ruf des Erstaunens aus: Dort unten herrschte ein Treiben, das sie sich nicht hatte vorstellen können. Zahlreiche Männer und Frauen gingen auf der Erde ihrer Wege. Sie trugen Kleider in Naturfarben – von Braun über Grau und Rostrot bis Grün – und beförderten allerlei Waren, über deren ungewöhnliche Größe sich Oksa nur wundern konnte: Kartoffeln, so groß wie Äpfel, Oliven, so dick wie Honigmelonen, riesengroße Knollen, die Oksa nicht kannte …
    »Täusch dich nicht, Kleine Huldvolle«, warnte Tugdual sie. »Nur weil hier allerhand Lebensmittel transportiert werden, heißt das nicht, dass die Menschen keinen Mangel leiden. Die Erde gibt immer weniger her, es geht ihr wie den Menschen: Sie ist ausgelaugt.«
    Zusammen überquerten sie die Plattform, wurden immer wieder voll Ehrerbietung von vorbeikommenden Silvabulanern begrüßt, schauten ganz frech durch Fenster in die Wohnungen hinein und staunten über das ausgeklügelte System der Seilrutschen, mittels derer die Waren auf alle Ebenen geschafft werden konnten. Regenrinnen liefen an den Stämmen und Hausdächern entlang, um jeden Wassertropfen fein säuberlich in den Behältern unten an den Wohnungen aufzufangen oder aber direkt in die vertikalen Anpflanzungen an den mit Erde bedeckten Hauswänden zu leiten.
    »Was für eine geniale Art, Wasser zu sparen!«, sagte Oksa begeistert. Sie erblickte einen Lastenaufzug aus Holz mit Stahlkabeln, der noch weiter hinaufzuführen schien, und hob den Kopf: Noch einmal fünfzehn Meter über ihr ruhten einige Plattformen auf den gewaltigen Ästen des Baums und auf denen aller Bäume, die ihn umgaben. Sie waren mit zahllosen Hängebrücken verbunden und bildeten ein außergewöhnliches Labyrinth auf mehreren Ebenen, das Oksa zu gern sehen wollte. Sie ging zu dem Lastenaufzug.
    »Wir brauchen keine mechanischen Hilfsmittel«, sagte Tugdual. »Komm mit.«
    Er fing an, am Stamm hinaufzuklettern.
    »Hey, das kann ich aber nicht!«, protestierte Oksa.
    »Dann mach das, was du kannst, Kleine Huldvolle!«, rief Tugdual ihr zu.
    Er schien sich allein mit seinen Fingernägeln an der Baumrinde festzukrallen, was Oksa nun ihrerseits dazu motivierte, einen akrobatischen Vertikalflug hinzulegen.
    »Na also, geht doch! Man muss nur wollen«, kommentierte Tugdual trocken.
    Auf der obersten Terrasse angekommen, setzten sie sich nebeneinander auf den Holzboden, ließen die Beine baumeln und genossen den Ausblick über Laubkroning in seiner gesamten Ausdehnung. Oksa war sprachlos. Die Landschaft war vielleicht die verblüffendste, die sie je gesehen hatte, ein wogendes Meer aus grünen Riesenbäumen.
    »Schön,

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