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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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von ihnen nichts anderes als das Innere der Gläsernen Säule zu Gesicht bekommen. Und nun waren sie alle endlich wieder vereint: Was für ein unglaubliches Hochgefühl das war!
    »Schau mal, was ich kann, Tugdual!«, erklang die helle Stimme des kleinen Till.
    Unter dem amüsierten Blick seiner Mutter Helena schlug der Junge einige Purzelbäume in der Luft. Blonde Locken umrahmten sein strahlendes Gesicht. Oksa betrachtete ihn gerührt, er war wirklich zum Fressen süß. Dann wanderte ihr Blick zu Tugdual, der seinen Bruder liebevoll betrachtete, doch ihm war auch anzusehen, dass er litt.
    »Bravo, Till!«, sagte er und vertikalierte zu ihm. »Wo hast du das denn alles gelernt, du kleiner Champion?«
    »Mama und Opa haben es mir gezeigt«, antwortete der Junge. »Und jetzt bin ich fast so gut wie du, weißt du?«
    Im selben Augenblick versteinerte Tugduals Miene wieder. Wenn er so war, kam Oksa nicht an ihn heran, und als sie sich nun umblickte, war er zwischen den anderen Vertikalierern verschwunden.
    »Du gehst mir auf die Nerven, Tugdual«, murmelte sie. »Gus war lange nicht so kompliziert wie du!«
    Bei diesen Worten zuckte sie zusammen. Zum einen hatte sie gerade die beiden Jungen miteinander verglichen – dabei hatte sie sich insgeheim geschworen, das nie zu tun –, und, was noch schlimmer war, sie hatte in der Vergangenheitsform von Gus gesprochen. Wie schrecklich! Tränen traten ihr in die Augen. Als hätten sie ihre Traurigkeit gespürt, kamen Pierre und Jeanne zu ihr.
    »Alles in Ordnung, Oksa?«
    »Ich hab gerade an Gus gedacht«, antwortete sie und biss sich auf die Lippen.
    Pierre war deutlich abgemagert, seine Haut und seine Haare waren grau geworden, und in seinem früher so lebhaften Blick lag unauslöschliches Leid. Der Mann, den seine Freunde den »Wikinger« nannten, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Und nun hatte Oksa ihn, ohne es zu wollen, an den Grund seines Kummers erinnert.
    »Wir denken in jeder Sekunde an Gus«, sagte Jeanne leise. »Danke, dass du uns Nachrichten von ihm überbracht hast. Es ist eine große Erleichterung, zu wissen, dass es ihm gut geht und dass er in London in Sicherheit ist.«
    Oksa sah sich um. »Er fehlt mir«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Dieser Anblick hätte ihn so froh gemacht!«
    Gus’ Mutter nahm ihre Hand und drückte sie.
    »Ich bin sicher, dass wir ihm eines Tages davon erzählen können«, sagte sie eindringlich. »Doch jetzt steht uns erst einmal ein Kampf bevor.«
    Der Bericht über Oksas Ausflug nach Da-Draußen hatte Pierre niedergeschmettert, die zarte Jeanne hingegen mit unaussprechlichem Glück erfüllt und sie in eine kämpferische Frau mit eisernem Willen verwandelt. Der Gegensatz zwischen ihr und ihrem Mann war verwirrend für Oksa.
    »Die-Goldene-Mitte ist in Sicht!«, hörte sie jemanden rufen. »Wir sind fast da!«
    Oksa kniff die Augen zusammen: Direkt vor ihr schnitt die Gläserne Säule den blaugrauen Himmel entzwei. Weit hinter den Wolken konnte man die untergehende Sonne erahnen. Nur ein einziger Lichtstrahl drang durch die Wolkendecke und ergoss sich bis tief ins Herz der Säule. Die kristallinen Umrisse des Schutzschilds, von dem das Wackelkrakeel berichtet hatte, konnte Oksa nur mithilfe einer Reticulata erkennen. Der Schild lag wie eine riesenhafte Glasglocke mit unregelmäßigen Konturen über der Goldenen-Mitte. Oksa sammelte sich einen Moment, warf einen Blick auf ihren mit dem Tintendrachen verschmolzenen Vater und die enorme Menschenmenge, die ihnen folgte, und sauste dann auf die Hauptstadt von Edefia zu.

Grenzkontrolle
    V
on seinem Beobachtungsposten auf dem Kamm einer hohen Felskette konnte Orthon mitansehen, wie sich der Himmel über der Goldenen-Mitte verfinsterte – nicht durch dunkle Wolken, sondern durch eine ebenso zahlreiche wie eroberungslustige Menge. Der Treubrüchige ballte die Fäuste. Diese verfluchte Oksa Pollock hatte es also geschafft: Die Edefianer hatten sich auf ihre Seite geschlagen – zumindest die meisten. Verächtlich verzog er das Gesicht. Gerade mal tausend Leute hatten sich an den Treueschwur gehalten, den sie Ocious geleistet hatten. Alle anderen hatten sich dem Lager der Neuen Huldvollen angeschlossen.
    »Verräter, Ratten!«, knurrte er.
    Wieder blickte er zur Hauptstadt Edefias. Ein Schutzschild, ganz schön klug. Und ziemlich ärgerlich. Bestimmt war das Abakums Idee gewesen. Diesem verwünschten Feenmann gelang es immer wieder, seine Pläne zu durchkreuzen. Doch eines Tages

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