Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
Vom Netzwerk:
strömten herbei.
    »Ihr seid der Schlimmste von allen«, regte sich die älteste Sensibylle auf. »Fort mit Euch!«
    Sofort stellten sich Pavel und Abakum schützend vor Oksa. Die war ganz blass geworden.
    »Das gibt es doch gar nicht«, stammelte sie und musterte den Mann, der ihr auf der anderen Seite der Ägide gegenüberstand.
    Ihr fiel die Begegnung mit Dragomiras perfektem Doppelgänger im Londoner Keller ihres verhassten Mathelehrers McGraw alias Orthon ein. Instinktiv griff sie nach Tugduals Arm und wandte sich erschrocken zu ihm um. Tugdual war stocksteif geworden und wirkte so abwesend, als wäre er in irgendeiner inneren Qual gefangen. Da kamen auch schon die Froschlinge mit wütenden Flügelschlägen herbei, um den Unerwünschten zu entfernen. Doch der Mann schoss plötzlich wie eine Rakete in die Höhe und verschwand am pechschwarzen Himmel. Tugdual erschauerte, seine Lider flatterten heftig, dann sah er die Rette-sich-wer-kann verständnislos an.
    »Alles in Ordnung, mein Junge?«, fragte Abakum mit belegter Stimme.
    Tugdual nickte. Oksa zitterte am ganzen Körper. Ihr Blick begegnete dem von Zoé, der finster war wie die mondlose Nacht.
    »Das war Orthon, oder?«, fragte sie leise.
    Ebenso leise bejahte Abakum. Oksa unterdrückte einen Wutschrei und befahl mit einer Stimme, in der mehr Selbstsicherheit lag, als sie für möglich gehalten hätte:
    »Corpusleox, Sensibyllen, Froschlinge, ich danke euch sehr für eure Hilfe. Ihr könnt jetzt diese Pforte schließen, für heute ist es genug!«

Die Eingemauerten
    F
instere Kerker gab es in der Gläsernen Säule zwar keine, aber es gab Gefangene. Ocious, dem Protest oder Widerstand zutiefst zuwider waren, hatte Männer und Frauen, die sich gegen ihn wandten, dem Bann der Einmauerung unterworfen, dessen Geheimnis er im Archiv der Huldvollen entdeckt hatte. Zusätzlich hatte er sie mithilfe eines längst in Vergessenheit geratenen Granuks mundtot gemacht: des Knebel-Granuks. Und so vegetierten diese Unglücklichen im fünften Untergeschoss der Gläsernen Säule vor sich hin – zum Schweigen verdammt, halb verhungert, fernab der Welt.
    »Diese Menschen brauchen Eure Hilfe«, sagten die Corpusleox. »Nur Ihr könnt sie befreien.«
    Die prächtigen Wesen gingen mit ihrem kraftvollen, geschmeidigen Gang neben der Jungen Huldvollen her.
    »Ihr Herz wurde bereits durchleuchtet, sie stehen alle auf Eurer Seite«, fuhren sie fort. »An ihrer Treue besteht kein Zweifel. In der Goldenen-Mitte verbergen sich keine Treubrüchigen mehr.«
    »Ich habe keine Zweifel«, sagte Oksa. »Nun denn! Diese Ärmsten müssen sofort befreit werden.«
    Sie schob ihre Erschöpfung und ihren Hunger beiseite und machte sich mitten in der Nacht auf den Weg zur Säule, die bis zur tief hängenden Wolkendecke aufragte. Ihre Anhänger hatten sich inzwischen fast alle zur Ruhe begeben. Nur ihr Vater, Abakum, Tugdual und Zoé waren noch bei ihr geblieben.
    Hier und da drang ein wenig Licht aus den Häusern am Straßenrand, es verlängerte ihre Schatten und verwandelte jeden Strauch, jede Mauer, jedes Bäumchen in etwas anderes. Unter anderen Umständen wäre die Stimmung beklemmend gewesen, aber nicht jetzt. Oksa und die Ihren schritten vertrauensvoll über den mit einer dünnen Schlammschicht bedeckten Boden. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft, als würde die Erde den Menschen auf diese Weise zu verstehen geben, dass sie endlich wieder gesättigt war.
    »Junge Huldvolle!«, erklang da eine Stimme.
    Abakum hielt seine Phosphorille in die Richtung, aus der sie kam, und ein Mädchen tauchte aus der Dunkelheit auf.
    »Hallo, Lucy!«, begrüßte Oksa sie.
    Der Gesichtsausdruck des jungen Hochkopf-Mädchens war voller Hoffnung.
    »Da unten ist mein Vater«, sagte sie schlicht und deutete zur Säule.
    Mitfühlend sah Oksa sie an. »Dann wollen wir uns beeilen! Es ist höchste Zeit, dass ihr wieder vereint werdet.«
    In den Gängen mit den seltsamen Kristallwänden zeichnete sich weder eine Tür noch sonst eine Öffnung ab, die in einen weiteren Raum geführt hätte – außer dem Zugang zur Kammer des Umhangs im siebten Untergeschoss. Dennoch schienen die Corpusleox genau zu wissen, wohin sie wollten. Trotz ihrer Größe liefen sie mit eindrucksvoller Behändigkeit durch die schmalen Gänge. Oksa ließ sich zusammen mit ihren Begleitern ins fünfte Untergeschoss führen, wo die Corpusleox vor einer Wand stehen blieben, die sich in nichts von den anderen zu unterscheiden schien.
    »Wir sind

Weitere Kostenlose Bücher