Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota

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da«, verkündeten sie.
    Skeptisch strich Oksa mit der Hand über die schimmernde Oberfläche, die unregelmäßig, aber glatt war, als wäre sie von Tausenden Händen blank gerieben worden.
    Sie untersuchte die Wand und runzelte die Stirn.
    »Ich kann nichts sehen.«
    »Haltet Euch die Ohren zu, wir öffnen jetzt die Mauer«, warnten die Corpusleox.
    Die Junge Huldvolle und ihre Begleiter gehorchten, pressten sich die Hände auf die Ohren und erlebten die unglaubliche Wirkung, die das fürchterliche Gebrüll der Geschöpfe auf das Gestein hatte. Ihr Brüllen drang aus den Tiefen ihrer Seele und verstärkte sich ganz allmählich. Ernst und mächtig wie ein Orkan riss es alles mit sich. Oksa verlor das Gleichgewicht und strauchelte. Tugdual konnte sie gerade noch halten und zwang sie, sich hinzuknien, damit sie nicht von dem wütenden Hauch mitgerissen wurde. Sie warf ihm einen entsetzten Blick zu und verzog vor Schmerzen das Gesicht: Die Schallwelle prallte mit voller Wucht auf ihr Trommelfell, es fühlte sich an, als würde es gleich platzen. Tugdual nahm seine Hände von den Ohren und legte sie über die ihren. Dann drückte er sie an sich und presste ihr Gesicht an seine Schulter. Oksa spürte, wie sich sein ganzer Körper verkrampfte, weil er sich ohne Schutz den unerträglichen Schallwellen aussetzte.
    Schließlich ebbte der Lärm ab, und es kehrte wieder Ruhe ein. Tugdual half Oksa hoch, und verblüfft sahen sie, was geschehen war: In der Mauer zeichnete sich eine kreisrunde Öffnung ab, breit genug, um mehrere Menschen nebeneinander durchzulassen. Die Corpusleox stellten sich rechts und links davon auf und luden Oksa und die anderen mit einer Geste ihrer großen Pranken ein, hindurchzugehen. Abakum führte den Trupp an, das Granuk-Spuck in der Hand. Oksa folgte ihm, und hinter ihr kamen die anderen.
    Dank der hellen, milchig weißen Steine strahlten die Räumlichkeiten nicht den unangenehmen Eindruck aus, den ihr Gebrauch hätte erwarten lassen. Im Schein von Abakums Phosphorille erkannten sie die Umrisse eines schmalen länglichen Raums, der in rechtem Winkel von dem Vorraum abging, in dem sie standen. Es war keine Spur von Leben zu erkennen.
    »Wir brauchen mehr Licht«, forderte Abakum.
    Eine weitere Phosphorille wurde herbeigerufen. Lucy griff unwillkürlich nach Zoés Arm, und zusammen wagten sie sich weiter vor. Der Feenmann hatte recht gehabt: Es war noch viel mehr Licht nötig, um hinter den dicken Kristallblöcken die dunklen Schemen menschlicher Gestalten erkennen zu können.
    »Da sind wirklich Menschen, dadrinnen !«, rief Oksa entsetzt. »Lebendig eingemauert!«
    »Papa?«, schrie Lucy. »Wo bist du?«
    Sofort näherten sich die Schemen den Wänden, die sie von der Freiheit trennten.
    Heiße Tränen schossen Oksa in die Augen. Sie wandte sich an Abakum. »Was muss ich tun?«
    »Seit Menschengedenken war es den Huldvollen vorbehalten, den Bann der Einmauerung zu verhängen«, antwortete Abakum. »Und dennoch gelingt es auch anderen, die Einmauerung oder Eingemäldung auszuführen, wie Orthon und Ocious uns bewiesen haben. Doch – und da hat es mit ihrem Geschick ein Ende – für die Aufhebung eines solchen Banns bedarf es einer Fähigkeit, über die tatsächlich nur die Huldvollen verfügen.«
    »Was glaubst du?«, flüsterte Oksa. »Wusste dieser Dreckskerl von Ocious darüber Bescheid, bevor er die armen Leute einmauerte?«
    »Ocious gehört wie Orthon zu den Menschen, die sich, von ihrer Macht geblendet, selbst überschätzen«, sagte Abakum. »Zweifellos glaubte er, das alles beherrschen zu können, und sah sich dann mit seiner eigenen Unfähigkeit konfrontiert. Also hat er diese Unschuldigen einfach ihrem grausamen Schicksal überlassen.«
    Oksa betrachtete die Schatten, die sich an die Kristallblöcke pressten. Instinktiv legte sie die Hand an die Wand, und zu ihrer großen Überraschung gab der Kristall nach, als wäre er aus Knetmasse. Sie drehte sich um und sah Abakum fragend an.
    »Liegt das an meinen mauerwandlerischen Fähigkeiten?«
    Statt einer Antwort forderte der Feenmann Tugdual und Zoé auf, Oksas Beispiel zu folgen. Die beiden, von ihrer Abstammung her Mauerwandler, gehorchten ihm, doch nichts geschah.
    »Deine mauerwandlerischen Fähigkeiten haben rein gar nichts damit zu tun«, sagte Abakum lächelnd, »sondern allein deine Eigenschaft als Huldvolle.«
    Oksa wurde ein wenig schwindlig. Stolz und unglaublich aufgeregt holte sie tief Luft und legte dann beide Hände auf den