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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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Gebäuden war die Farbe abgeblättert, sie hatten Risse bekommen, und manchmal war sogar ein Teil eingestürzt, dennoch strahlten sie nach wie vor eine gewisse Pracht aus. Die meisten hatten die Form von Würfeln unterschiedlicher Größe und ruhten auf beweglichen Sockeln, die es ihnen erlaubten, sich im Tagesverlauf immer nach der Sonne auszurichten. Schienen aus Metall oder Holz stützten die Zwischenwände aus Milchglas oder trugen Holzwürfel, auf denen sich allerlei Pflanzen ausbreiteten. Wie in Laubkroning war auch hier der vertikale Gemüseanbau verbreitet. Während aber den Gebäuden die Wasserknappheit nicht allzu sehr geschadet hatte, war die Vegetation, da, wo sie nicht schon ganz verschwunden war, in einem kläglichen Zustand. Und auch die jüngsten Regengüsse hatten daran nicht groß etwas ändern können.
    »Das ist wirklich furchtbar«, sagte Oksa, während sie über eine verdorrte, knorrige Weinrebe strich, die über einer Haustür herunterhing.
    »Es ist eine einzige Katastrophe, meint Ihr wohl«, verbesserten sie die Getorixe, die gerade, mit Bausteinen beladen, vorbeikamen.
    »Deshalb wird es auch weiterhin ganz entscheidend sein, dass wir Wasser sparen«, erklärte Emica und richtete dabei ihren klaren Blick auf Oksa. »Ihr hattet recht, dafür ein eigenes hohes Amt einzurichten. Schon vor dem Großen Chaos pflegten wir einen vernünftigen Umgang mit unseren Ressourcen, aber wir konnten ja nicht ahnen, was noch kommen würde. Mangel gab es bei uns bis dahin praktisch nicht, wir hatten gar keinen Begriff dafür.« Sie sah die Junge Huldvolle mit großen Augen an. »So etwas lag einfach jenseits unserer Vorstellungskraft.«
    »Das ist doch ganz normal!«, rief Oksa. »Wenn alles gut läuft und das schon immer so war, dann kann man sich gar nicht vorstellen, dass es mal anders sein könnte! Aber ich finde, ihr habt euch hervorragend an die Umstände angepasst, immerhin habt ihr …«
    Sie unterbrach sich und sah zu Boden.
    »… überlebt?«, ergänzte Emica.
    Oksa blickte ihr wieder ins Gesicht.
    »Immerhin habt ihr überlebt, ja«, sagte sie.
    »Und wenn das Überleben in eine Neugeburt mündet, dann bekommt es erst recht seinen Sinn«, stellte Abakum fest. »Komm mal hierher, meine Kleine … meine Huldvolle«, verbesserte er sich schmunzelnd.
    Er forderte sie auf, sich vor dem verdorrten Weinstock auf den Boden zu knien. Freudig kam die Junge Huldvolle seiner Bitte nach, denn sie wusste natürlich, was jetzt passieren würde. Kaum hatte sie die Hände in die nun wieder schwarze, feuchte Erde getaucht, spürte sie, wie die warmen Schwingungen des Lebens in ihren Fingern pulsierten, sich in der Erde ausbreiteten und ihre wohltuende Wirkung an jedes Quäntchen davon verteilten. An der Oberfläche fing der Weinstock an zu zittern, zunächst kaum merklich, dann immer heftiger. Er blähte sich auf und zog sich wieder zusammen, als ob er tief atmete, während sich an seinen Ranken winzige Knospen bildeten. Sie platzten auch sogleich auf, und nach kurzer Zeit war der ganze Weinstock mit grünem und rotem Laub überzogen. Schon wuchsen die ersten verlockenden Trauben. Oksa stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und trat begeistert einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten.
    »Meine Huldvolle tätigt den Besitz der Gabe des Gründaumens«, stellte der Plemplem fest.
    »Das scheint mir auch so«, bestätigte Oksa augenzwinkernd.
    Sie sah zu ihrem Vater hinüber. In diesem Augenblick dachten beide an das French Garden  – das Restaurant, das die Pollocks und die Bellangers in London eröffnet hatten. Dort hatte Pavel diese großartige Fähigkeit schon genutzt, um ein einzigartiges Lokal zu schaffen – einen richtigen Garten im Haus, mit Weißdornhecken, Kletterrosen, einem mit Gänseblümchen übersäten Rasen und sogar einer herrlichen Eiche mitten im Gastraum! Er blinzelte seiner Tochter zu: Der Gründaumen würde ihr Freude machen! Und damit hatte er völlig recht. Oksa lief von einem verdorrten Beet zum nächsten und säte überall den Frühling. Die Bewohner der Stadt hielten in ihrer Arbeit inne, um der Neuen Huldvollen für das Wunder, das sich vor ihren Augen abspielte, zu applaudieren und sie anzufeuern. Plötzlich ließ Oksa ihre Hände sinken und blickte mit geröteten Wangen auf.
    »Etwas verstehe ich nicht«, sagte sie. »Warum haben denn die Silvabulaner diese Fähigkeit nicht schon früher genutzt? Ich dachte, sie besitzen sie auch.«
    »Das stimmt nicht ganz, mein

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