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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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sie stieß einen klagenden Laut aus.
    »Oksa …«
    »Ich bin da, Mama«, flüsterte Oksa. »Ich bin da.«
    Marie stöhnte im Schlaf, und ihr Gesicht entspannte sich. Nun schlief sie tief und fest. Da schlüpfte Oksa neben ihre geliebte Mutter ins Bett, ohne ihr Gesicht aus den Augen zu lassen. Dann wurde auch sie vom Schlaf übermannt.

Eine Stadtführung
    D
iesmal löste der Besuch am Bigtoe Square bei Oksa noch zwiespältigere Gefühle aus als beim ersten Mal. Nach ihrem Erwachen brauchte sie mehrere Minuten, bis ihr klar wurde, dass sie sich wieder in den Gemächern der Huldvollen in der Gläsernen Säule befand. In Edefia, diesem unsichtbaren Anderswo, so weit weg und doch so nah. Mit dem Herzen und mit ihren Gedanken war sie aber immer noch in London, in Dragomiras Streng-vertraulichem-Atelier, wo sie ihre Mutter schlafend auf dem Bett zurückgelassen hatte.
    »Der Schmerz des Erwachens bekleidet die Inschrift auf dem Gesicht meiner Huldvollen.«
    Im Liegen wandte Oksa den Kopf und warf ihrem Plemplem einen verzweifelten Blick zu.
    »Meine Huldvolle muss zur Heimführung ihrer Ganzheit schreiten«, sagte das Geschöpf mit sanfter Stimme. »Ihr Herz darf nicht die Ernüchterung die Macht ergreifen lassen, eine Macht gespickt mit Zerstörung. Es muss sich mit der Hoffnung füttern, die ihre Wohnstätte in der Zukunft einrichtet, denn die Lösung kennt die Existenz im Flüchtigen Geheimnis.«
    Oksa nickte stumm.
    »Die Zugeschnürtheit der Kehle meiner Huldvollen kann die Linderung durch das Einverleiben eines morgendlichen Imbisses erfahren. Kennt meine Huldvolle das Belieben, einen Versuch zu tätigen?«
    Da Oksa überhaupt nicht reagierte, musste das kleine Geschöpf drastischere Maßnahmen ergreifen. Entgegen seiner gewöhnlichen Zurückhaltung ergriff es kühn die Hand seiner jungen Herrin und zog unter Aufbietung all seiner Kräfte daran.
    »Das Verweilen in der Horizontalen und in der Melancholie begegnen der Sinnlosigkeit«, fuhr es, vor Anstrengung heftig schnaubend, fort. »Die Liste der Aufgaben meiner Huldvollen kennt den Überfluss und verzeichnet nicht das Vergessen der Heilung der Mutter und des Freundes der Huldvollen. Und diese Liste erfordert die Rückkehr des Mutes der Huldvollen.«
    Der Getorix hüpfte auf dem Bett herum und versuchte, in der Luft Pirouetten zu drehen, was Oksa ein Lächeln entlockte, während der Plemplem weiter an ihrem Arm zerrte.
    »Dieses junge Mädchen scheint ja sehr schwer zu sein«, sinnierte der Kapiernix von seinem Sessel aus, wo er hockte wie ein Gegenstand, den man einfach dort abgestellt hatte.
    Diese Bemerkung brachte Oksa endgültig zum Lachen.
    »He, du mit dem zähflüssigen Verstand!«, rief der Getorix hüpfend. »Dieses junge Mädchen da ist unsere Huldvolle, kapiert?«
    Der Kapiernix musterte sie beunruhigt.
    »Man hat den Eindruck, dass ihr das kein allzu großes Vergnügen bereitet«, stellte er fest.
    Oksa verging das Lachen mit einem Schlag, während der Getorix zum Kapiernix sprang und ihm empört die kleinen Fäuste in den faltigen Bauch boxte. Sie erhob sich endlich, fuhr sich durch die zerzausten Haare und marschierte zum Kapiernix. Sie packte den Getorix am Rückenfell, hielt ihn auf Armeslänge von sich und gab dann dem phlegmatischen Kapiernix einen wohlverdienten Kuss.
    »Danke! Aus ganzem Herzen!«, sagte sie zu ihm. »Damit hast du voll ins Schwarze getroffen.«
    Der Kapiernix sah sie völlig verständnislos an und versank sogleich wieder in seine ganz speziellen Betrachtungen. Oksa ließ den wie wild herumzappelnden Getorix los und wandte sich an den Plemplem.
    »Hattest du nicht etwas von einem morgendlichen Imbiss gesagt?«
    Der Plemplem strahlte übers ganze Gesicht und nickte.
    »Ich muss wieder zu Kräften kommen«, sagte Oksa. »Ich habe nämlich so einiges zu tun, weißt du …«
    Angeführt von Emica und Olof, den beiden Dienern für den Wiederaufbau, und begleitet von ihrer persönlichen Leibgarde – Abakum, Pavel, Tugdual, Zoé und dem Plemplem –, wanderte Oksa durch die kreisförmig angelegten Alleen der Goldenen-Mitte. Die dicke Staubschicht auf den gepflasterten Straßen war zwar seit der Wiederherstellung des Gleichgewichts und dem damit verbundenen Regen verschwunden, doch die Stadt litt wie ganz Edefia immer noch unter zahlreichen Blessuren. Die-Goldene-Mitte hatte in den vergangenen Jahren an Fläche verloren, da immer mehr Land verdorrt war. Nur das Zentrum war davon einigermaßen verschont geblieben. An vielen

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