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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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die Ellbogen auf den Knien abgestützt und den Kopf in den Händen. Mortimer saß vor ihm. Was hatte das alles nur zu bedeuten?
    Am Himmel tauchte der Mond auf, und kaltes Licht schien durch die Bäume. Es erhellte auch jenen Teil des Unterholzes, in dem sich Tugdual und Mortimer verborgen hielten. Ihre langen Schatten zeichneten sich auf dem Boden ab. Obwohl es immer noch relativ dunkel war und Oksa also einigermaßen geschützt, kroch sie hinter einen Busch. Sie legte sich flach auf den Boden und drückte das Kinn in die feuchte Erde.
    Sehr bald stellte sich heraus, dass das keine gute Idee gewesen war. Denn als sie einen Blick durch das spärliche Laub des Buschs warf, sah sie zu ihrem Entsetzen, dass die beiden jungen Männer zu dem Busch schauten, hinter dem Oksa lag. Und dann stand Mortimer sogar auf und kam auf sie zu. Sie musste sofort etwas tun! Blitzschnell schoss sie in die Höhe und ließ sich auf einem dicken Ast über ihr nieder. Wie eine Eule spähte sie zu Mortimer hinunter, der den Busch, hinter dem sie sich noch vor wenigen Sekunden versteckt hatte, durchsuchte. Tugdual trat auch hinzu, doch zum Glück kam keiner von ihnen auf die Idee, nach oben zu sehen …
    »Du kannst dich auf mich verlassen«, hörte sie Mortimer zu Tugdual sagen, nachdem sie die Suche eingestellt hatten. »Ich weiß, dass das nicht leicht für dich ist, aber ich werde mein Möglichstes tun, um dir zu helfen.«
    Tugdual nickte schweigend.
    »Vergiss nicht, mir zu geben, was du mir versprochen hattest«, sagte er dann dumpf.
    Mortimer holte einen länglichen Beutel hervor und reichte ihn Tugdual.
    »Und was hast du jetzt vor?«, fragte der und befestigte den Beutel an seinem Gürtel.
    »Ich gehe wieder zurück.«
    »Du könntest doch hierbleiben.«
    »Dann würde ich aber bald entlarvt werden«, erwiderte Mortimer.
    Bei diesen Worten gefror Oksa das Blut in den Adern. Tugdual musste unter einer Art Hypnose stehen, eine andere Möglichkeit gab es nicht! Sie konnte sich gerade noch so weit beherrschen, dass sie keine Granuk-Salve auf den Sohn des Treubrüchigen abfeuerte.
    Mortimer musste etwas gemerkt haben. Er drehte sich um und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war.
    »Ich muss jetzt los«, sagte er. »Wir bleiben in Verbindung, okay?«
    Wieder nickte Tugdual. Mortimer musterte ihn eine Weile, dann wandte er sich blitzschnell um und verschwand im Unterholz.
    Kurz darauf zerriss ein entsetzlicher Schrei die Nacht, so laut und so unerwartet, dass Oksa beinahe den Halt verloren hätte. Sie hielt die Luft an, krallte sich mit den Fingernägeln an der Rinde fest und beugte sich vor. Unter ihr lag Tugdual am Boden, die Arme und Beine zu einem X gespreizt – exakt an der Stelle, an der sie selbst kurz zuvor noch gelegen hatte. Der Mond fiel auf sein leichenblasses Gesicht. Und Oksa sah, dass seine Augen vor Wahnsinn glühten.

Geheime Gespräche
    A
uf keinen Fall!«, kreischte die Anführerin der Sensibyllen. »Auf gar keinen Fall haben wir uns getäuscht!«
    »Außer als wir unserer Huldvollen, der Ach-so-vermissten Dragomira, abgenommen haben, dass das Klima in London viel besser sei als das in Paris«, meldete sich ein anderes kleines Huhn genauso laut zu Wort.
    »Ich glaube euch ja«, sagte Oksa verzweifelt. »Ich glaube euch.«
    Sie ließ sich in einen Sessel fallen, legte den Kopf in den Nacken und starrte auf die Nähte von Camerons geräumigem Zelt. Als sie Leomidos Sohn am frühen Morgen völlig verstört in die Arme gelaufen war, hatte er sofort begriffen, dass das Fest am Vorabend nicht der Grund für ihren aufgelösten Zustand war. Mit viel Taktgefühl hatte er ihr seine Unterstützung angeboten, und Oksa war ihm sehr dankbar dafür. Dennoch hatte sie abgelehnt. Die Angelegenheit war zu ernst, sie musste mit größter Diskretion behandelt werden.
    »Wir versichern Euch noch einmal«, wiederholte die Wortführerin der Sensibyllen mit aufgestellten Federn, »wenn dieser Junge in Die-Goldene-Mitte gelangt ist, dann kann das nur bedeuten, dass keine von uns auch nur das geringste Anzeichen von Böswilligkeit bei ihm entdeckt hat. Und wenn keine von uns etwas entdeckt hat, dann heißt das, dass es im Herzen dieses Jungen keine Böswilligkeit gibt!«
    »Aber er ist Orthons Sohn«, protestierte Oksa.
    Die Sensibyllen, die diese Bemerkung als Kritik auffassten – oder, schlimmer noch, als Beweis für Oksas mangelndes Vertrauen –, fingen an, mit der ihnen eigenen Hysterie wild durcheinanderzupiepsen. Bald ging

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