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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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die Augen in seinem Gedächtnis wieder auf. Sie blickten ihn aus den Schlitzen einer Sturmhaube an. Auf einem Truppenübungsplatz.
    Die Übung hatte vor ungefähr zwei Jahren stattgefunden. Ein Spezialeinsatztrupp der GSG 9 hatte sich aus Hubschraubern abgeseilt, um eine Geiselbefreiung aus der Luft zu üben. Die vermeintlichen »Geiselgangster« wurden von Angehörigen der Bundeswehr gemimt. Und der Anführer dieser »Geiselgangster« hatte ihn mit genau diesen lodernden blauen Augen angesehen, als sie gemeinsam die Übung analysiert hatten.
    Auch an die Stimme erinnerte er sich jetzt.
    Genau diese Stimme hatte ihm durch den feuerfesten Stoff der Sturmhaube die Fehler seiner Männer aufgezählt. Mit bestechender Präzision und völliger Kälte. Wäre die damalige Übung ein Ernstfall gewesen, wären zwei Drittel der Geiseln gestorben und ein Drittel seiner Männer. Die »Geiselgangster« wären mit geringen Verlusten, aber mit dem gesamten Lösegeld entkommen.
    Die Übung damals war ein Fiasko für ihn und seine Männer gewesen. Vermutlich hatte er sich deshalb nicht sofort daran erinnert. Er hatte diesen Fehlschlag einfach verdrängt. Jetzt jedoch war ihm die Sache klar: Dieser Müller war Soldat.
    Elitesoldat.
    Welche Einheit, wusste Hartmut Rainer nicht. Die Namen der »Geiselgangster« waren nicht genannt worden. Er hatte vermutet, dass es sich um Soldaten des Kommandos Spezialkräfte, KSK, gehandelt hatte. Oder um Kampfschwimmer der Marine.
    Aber aus welcher Einheit auch immer dieser Mann stammte: Dieser Müller arbeitete mit Deckung von ganz oben. Und er trug eine Waffe. Das war ein Verstoß gegen die Verfassung. Soldaten durften im Inland nicht eingesetzt werden. Es sei denn, es wäre Gefahr im Verzug. Er dachte nach.
    Artikel 91, Absatz 2 des Grundgesetzes. Innerer Notstand. Aufgrund dieses Artikels war der Einsatz der GSG 9 befohlen worden. Hartmut Rainer kannte das Grundgesetz gut. Er überlegte weiter.
    Artikel 87 a, Absatz 4. Befugnisse der Streitkräfte. Er ging den Text gedanklich durch. »Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91, Absatz 2 vorliegen (…) Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes (…) bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.«
    Also doch kein Bruch der Verfassung. Zumindest nicht in seinen Augen. Jetzt war auch klar, was der BKA-Mann namens Müller war: ein verdeckter Operateur der Bundesregierung.
    Diese Erkenntnisse nützten Hartmut Rainer momentan jedoch wenig. Tatsache war: Dieser Herr Müller – oder wie immer der Kerl auch hieß – erkannte mit Sicherheit eine AIM-64, wenn er eine vor sich hatte. Hartmut Rainer traf seine Entscheidung sehr schnell.
    Abbruch.
    Das Risiko war zu hoch.
    Sie mussten sich zurückziehen und es in ein paar Stunden in der Begleitung von Sprengstoffexperten noch einmal versuchen. Zusätzlich würden sie Störsender mitnehmen, die mögliche Funksignale für die Zünder blockierten. Er aktivierte sein Funkgerät und holte Luft, um die entsprechenden Befehle zu geben.
    Da ließ ihn ein leises Geräusch seinen Kopf drehen.
    Es klang, als ob ein Kieselstein ins Wasser fällt.
    Dabei war es genau andersherum: Etwas sprang aus dem Wasser des Kanals, in dem sie sich gerade befanden, in die Höhe.
    Ein Gegenstand, der aussah wie ein schwarzes Ei.
    Nur größer.
    Und in die Länge gezogen.
    »Mine!«, brüllte Hartmut Rainer. Dann schloss er die Augen und öffnete den Mund. Druckausgleich. Ein antrainierter Reflex: Mund auf, Augen zu.
    Ein Lichtblitz und ein scharfer, heller Knall.
    Hartmut Rainer wurde von der feurigen Druckwelle in die Luft gehoben und nach hinten geschleudert. Die Hitze versengte seine Augenbrauen. Er knallte mit dem Rücken gegen die Wand des Kanals. Dann kippte er nach rechts auf den Boden.
    Ein höllischer Schmerz brandete von seinem rechten Oberschenkel ausgehend durch seine Nervenbahnen. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er mit heißen Kohlen beworfen worden. Hunderte glühender Nadeln. Ein furchtbares Brennen überall.
    In seinen Ohren hörte er ein Klingeln.
    Unerträglich laut und schrill.
    Mühsam öffnete er die Augen. Mehrfach musste er blinzeln, um die roten Schleier zu vertreiben. Als er sich umsah, erkannte er im grünlichen Licht seiner Nachtsichtbrille, dass ein weiterer Beamter an der

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