Oktoberfest
Hintergrundgeräuschen. Subtrahieren Sie ihn in der Frequency Domain von den neueren Aufnahmen. Transformieren Sie das Ergebnis zurück in die Time Domain. Das erzeugt bekanntlich einen fast vollständigen Auslöschungseffekt. Wir werden hören, was dann übrig bleibt. Denn selbst ein Roboter kann sich nicht geräuschlos bewegen. Haben Sie das verstanden? Oder soll ich es Ihnen noch mal ganz langsam wiederholen?«
Tomjedow war während der Standpauke in sich zusammengesunken. Jetzt richtete er sich in seinem Stuhl wieder auf und nickte beflissen. »Nein, nein, alles klar! Zu Befehl, Polkownik Okidadse! Sofort!«
*
»Der Bundespräsident? Jetzt? Mitten in der Nacht?«
Der Bundeskanzler blinzelte irritiert, als er sich von der Liege erhob, die in sein Büro gebracht worden war. Er hatte sich vor einer Stunde hingelegt, um etwas auszuruhen. Die Sekretärin sah den Regierungschef mitleidig an und zeigte nickend auf das Telefon auf dem Schreibtisch.
»Auf Leitung eins.«
Der Bundeskanzler hob an, etwas zu sagen. Die Sekretärin hatte sich bereits abgewandt und winkte ihm beim Hinausgehen freundlich zu. »Natürlich bringe ich Ihnen einen Kaffee.« Mit einem Lächeln schloss sie die Tür hinter sich.
Der Bundeskanzler ging zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den Sessel fallen. Er schüttelte kurz den Kopf. Er musste die Müdigkeit schnell vertreiben, brauchte jetzt seine ganze Konzentration. Seine Gedanken klärten sich. Er sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Er drückte die leuchtende »1« auf seiner Telefonkonsole.
»Guten Morgen, Herr Bundespräsident«, sagte er mit einer noch etwas belegten Stimme. »Was kann ich für Sie tun?« Er räusperte sich.
»Ich möchte mit Ihnen über eine Frage sprechen, die mich sehr beschäftigt. Also, soweit ich das beurteilen kann, ist doch unser Hauptproblem, dass wir keinen Kontakt zu den Geiselnehmern haben. Wir haben mit Verhandlungen noch nicht einmal begonnen. Sehe ich das richtig? Stimmen Sie mir da zu?«
»Das ist zweifelsfrei ein großes Problem«, bestätigte der Bundeskanzler.
»Sehen Sie«, fuhr der Bundespräsident fort, »und da habe ich mich gefragt: Kann ich als Staatsoberhaupt etwas tun? Muss ich vielleicht sogar etwas tun?« Der Bundespräsident zögerte. »Ich habe mich gefragt, ob es sinnvoll wäre, wenn ich mich selbst als Geisel zur Verfügung stellen würde. Im Austausch gegen möglichst viele andere Geiseln. Damit wäre ein Anfang gemacht. Wir hätten Kontakt mit den Geiselnehmern und könnten verhandeln.«
»Das ist ein inakzeptabler Vorschlag. Dieses Land braucht sein Staatsoberhaupt. Das wäre eine Geste unglaublicher Unterwürfigkeit.«
»Meinen Sie? Ich denke auch daran, welche Reaktionen dieses Vorgehen im Ausland hervorrufen würde.« Der Bundespräsident hatte eine weiche, volltönende Stimme, in der eine natürliche Würde lag.
»Hm …« Der Kanzler rieb sich das Kinn. »Das wäre natürlich ein starkes Signal.«
»Ich sehe das so: Ich repräsentiere diesen Staat. Und dieser Staat sollte seine unbedingte Verbundenheit mit dem Schicksal der Geiseln demonstrieren.«
»Bislang haben wir noch nicht mal eine Möglichkeit, den Tätern dieses Angebot zu unterbreiten.«
»Wir könnten uns an die Presse oder das Fernsehen wenden.«
»Aber dann können Sie hinter dieses Angebot nicht zurück, auch wenn die Täter niemanden freilassen. Ich halte das für sehr riskant.«
»Riskant ist es. Aber meinen Sie nicht, dass sich das Risiko in einem vertretbaren Rahmen hält?«
»In einem vertretbaren Rahmen? Bei allem Respekt: Nein, das glaube ich nicht. Das Risiko ist gar nicht kalkulierbar. Sie würden sich damit in unmittelbare Lebensgefahr begeben. Wir haben es mit Tätern zu tun, denen ein Menschenleben nichts gilt. Die könnten Sie einfach erschießen. Und nichts wäre gewonnen.«
»Da haben Sie recht.« Der Präsident ließ eine kurze Unterbrechung folgen. »Aber ich wollte Sie auf jeden Fall wissen lassen, dass ich zu einem solchen Schritt bereit bin. Ich werde mit meinen eigenen Mitarbeitern nochmals prüfen, ob wir vielleicht noch andere Optionen haben.«
»Dann bedanke ich mich dafür. Ich halte das aber wirklich für keine gute Idee. Zumindest nicht, wenn wir dadurch nicht in Verhandlungen treten können. Ich werde auch noch mal darüber nachdenken. Mich mit Mitarbeitern hier im Sicherheitskabinett beraten. Ich darf noch persönlich sagen, dass ich Sie für Ihre Bereitschaft bewundere.«
Nach einer kurzen, peinlichen Pause
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