Oktoberfest
keine Dummheiten damit machen. Das zerstreute seine Bedenken.
Jetzt war er Malow für das Geschenk dankbar.
Die Makarow-Pistole lag im Handschuhfach.
*
Der Kommandant der »Bayern«, Fregattenkapitän Broder Thomsen, war nicht nur für einen Marineoffizier sehr groß. Seine fast zwei Meter waren ehrfurchteinflößend. Die hellblauen Augen und das rotblonde Haar wirkten auf Anhieb sympathisch. Und dieser Eindruck war richtig: Broder Thomsen war eigentlich ein gutmütiger Mensch. In der Sache jedoch – das wusste Härter – war der Mann absolut humorlos.
Der Kapitän hatte Broder Thomsen vor zehn Jahren während eines Lehrgangs zum Thema »Innere Führung« an der Führungsakademie der Bundeswehr kennengelernt. Härter hatte Thomsen aber bereits vorher gekannt, jedoch nicht persönlich.
Das lag daran, dass Fregattenkapitän Broder Thomsen leidenschaftlicher Jazz-Saxophonist war. Manchmal trat er zusammen mit der Bigband des Marinemusikcorps Nordsee auf. Legendär waren die Silvester-Konzerte in Wilhelmshaven. Seine virtuosen Soli hatten ihn zu einem bekannten und beliebten Mann gemacht, nicht nur bei seiner Besatzung, sondern innerhalb der ganzen Marine.
Bereits vor einem Jahr hatten sie bei einer Operation zur Befreiung deutscher Geiseln in Algerien zusammengearbeitet. Seitdem schätzten sie einander sehr. Als Härter die Kabine von Thomsen betrat, begrüßten sich die beiden Offiziere herzlich.
Dann wurde die Stimme des Schiffskommandanten sachlich. »Was liegt an, Wolf? Ich höre von einer Operation ›Frauenkirche‹, robustes Mandat, aber niemand konnte mir Genaueres sagen.«
»Im Prinzip ist es wie in Algerien. Geiselbefreiung. Mit einem Unterschied. Wir werden nicht in das Operationsgebiet fliegen, sondern tauchen. Rebreather werden mit einem zweiten Helo an Bord gebracht. Dazu kommt, die Nachrichtenlage ist schlechter. Genau genommen, gleich null. Das Operationsgebiet und die Gegnerkräfte sind nicht aufgeklärt.«
»Wie in Algerien? Das heißt, wir bekommen noch mehr Besuch?«
»Ich habe zwei Kampfschwimmer aus Eckernförde angefordert, die mir bei der Operation Rückendeckung geben werden. Acht weitere in Bereitschaft. Und eine Ärztin vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, falls wir schwerere Verwundungen hier an Bord versorgen müssen. Die drei müssten im Laufe der nächsten Stunde landen. Zusammen mit der noch fehlenden Ausrüstung.«
»Eine Ärztin vom Bundeswehrkrankenhaus? Doch nicht etwa …?«, fragte Thomsen erschrocken.
»Doch«, entgegnete Härter trocken. »Sie ist nun mal die beste Chirurgin, die wir haben. Für die Versorgung von Schussverletzungen möglicherweise die beste in ganz Europa.«
Thomsen nickte gottergeben. »Schon gut!« Er stockte kurz. »Also werden wir dich mit zwei Mann auf Unterwasserschlitten aussetzen. Wie sieht es mit der Extraktion aus? Wie viele Geiseln sind es?«
»Eine. Extraktion entweder auf dem Seeweg oder mit dem Helo. Das müssen wir aus der Situation heraus entscheiden. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, ob wir es mit zehn Gegnern zu tun bekommen oder mit fünfzig. Aber wir wissen, dass wir mit kampfstarken Gegnern rechnen müssen. Rein kommen wir vielleicht noch unbemerkt, aber ich rechne mit einem Feuerkampf während des Rückzugs.«
»Wissen wir eigentlich, wer der Gegner ist? Woher er kommt?«, fragte Thomsen.
»Mit letzter Sicherheit weiß ich es nicht, aber ich habe Grund zu der Annahme, dass wir Besuch aus der Vergangenheit bekommen haben. Ich glaube, es handelt sich um Russen. Blast from the past, gewissermaßen. Der Kalte Krieg ist zwar vorbei, aber ich befürchte, hier fliegt alte Scheiße durch einen neuen Ventilator.«
»Verstehe.« Thomsen nickte. »Wo genau befindet sich unser Operationsgebiet?«
»Nordwestlich der Südspitze der Insel Sylt. Die Geisel wird …«
Thomsen unterbrach Härter mit einer Geste. Er griff zum Mikrofon der Bordsprechanlage. »Eins-O, hören Sie mich? Hier spricht der Kommandant.«
»Eins-O hört«, kam die Stimme des Ersten Offiziers aus dem Lautsprecher.
»Kurswechsel auf Null-Vier-Null. Beide Maschinen AK voraus. Verschlusszustand Zulu in dreißig Minuten. Gefechtsstationen besetzen. Decksmannschaften Flammschutz anlegen«, befahl Thomsen.
»Kurswechsel auf Null-Vier-Null. Beide Maschinen AK voraus. Verschlusszustand Zulu in dreißig Minuten. Gefechtsstationen besetzen. Decksmannschaften Flammschutz anlegen. Verstanden, Herr Kapitän«, wiederholte sein Erster Offizier.
Wenige Sekunden
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