Oktoberfest
wärmegedämmten Schornsteine der Dieselmotoren und Gasturbinen.
Mittlerweile hatten sie sich dem Schiff bis auf eine Viertelmeile genähert. Das Tor eines der beiden Hubschrauberhangars stand offen. Der Pilot ließ die Maschine auf knapp vierzig Meter absacken. Dann begann der traversierende Landeanflug von Backbord. Der Flugdeckoffizier erschien auf der Landeplattform, in seinen Händen rote Paddel. Er war für die manuelle Einweisung verantwortlich.
Noch einmal übermittelte die »Bayern« die aktuellen Daten. Wellenhöhe, Windrichtung und -geschwindigkeit. »Mother is ready to receive you«, hörte Härter die Stimme des Flugkontrolloffiziers.
Der Pilot konzentrierte sich auf die Bewegungen der roten Paddel. Plötzlich riss der Flugdeckoffizier beide Paddel zweimal ruckartig nach unten. Der Pilot reagierte sofort. Der Helikopter sackte durch und setzte unsanft auf dem schwankenden Landeplatz auf. Sekunden später fuhr der Sea Lynx seine sogenannte Harpune aus – einen Greifarm, der sich in dem Gitterrost in der Mitte der Landezone festkrallte. Jetzt war der Hubschrauber gesichert.
Härter nahm den Helm ab und nickte dem Piloten anerkennend zu. »Eine Landung wie aus dem Bilderbuch, Herr Kapitänleutnant. Lassen Sie den Helo in den Hangar bringen. Sagen Sie dem HCO, dass in Kürze noch eine zweite Maschine landen wird.«
Dann stieg er aus und entfernte sich rasch von dem Marinehelikopter. Der Wind war kräftig, die frische Luft wirkte belebend. Der Kapitän schloss die Augen und atmete zweimal tief durch, bevor er durch das offene Hangartor trat.
Ein weiblicher Leutnant zur See erwartete ihn. »Willkommen an Bord, Herr Kapitän!«, sagte die junge Frau und legte ihre Hand zum Gruß an den Mützenschirm.
»Danke. Bringen Sie mich zum Kommandanten.«
*
Der 8-Zylinder-Big-Block des Ford Mustang fraß brüllend Kilometer um Kilometer. Seit Stunden raste Werner Vogel mit durchgetretenem Gaspedal über die Autobahn nach Norden.
Bevor er München verlassen hatte, war er noch ins Büro gefahren. Dort hatte er mehrere tausend Euro aus dem Panzerschrank genommen. Bei dieser Gelegenheit war ihm das Kästchen aufgefallen, das hinten in dem Schrank lag. Als er es öffnete, fand er darin zwei Ringe. Auch dieses Kästchen hatte er eingesteckt. Er war sich sicher, dass ihm Karl das verzeihen würde.
Während der Fahrt schwelgte er in romantischen Phantasien, zu denen Cindy Lauper immer wieder I drove all night sang. Er , der Ritter in schimmernder Rüstung, würde Amelie retten und sie fragen, ob sie seine Frau werden wolle. Er hatte Meierinho sogar dazu gebracht, ihm noch die genaue Adresse des Hauses zu nennen, in dem die Polizei Amelie vermutete. Er wäre ihr Held. Und er konnte ihr inzwischen einiges bieten. Geld zumindest hatte er. In letzter Zeit hatte sich sein Vermögen höchst erfreulich entwickelt.
Der Grund dafür waren einige Nebentätigkeiten, die er während des letzten halben Jahres im Auftrag eines gewissen Malow ausgeübt hatte. Sehr gut bezahlte Nebentätigkeiten, von denen er niemandem erzählt hatte. Außerordentlich gut bezahlte Nebentätigkeiten.
Nichts Schlimmes.
Und alles ohne Rechnung. Brutto für netto.
Mal hatte er einen Kühllaster für drei Tage verliehen. Aber das war in der Zeit vor dem Oktoberfest kein großes Problem. Sie hatten ohnehin ein Fahrzeug mehr angeschafft, als sie eigentlich brauchten. Falls eines ausfiele.
Mal hatte er diesem Malow ein paar Unterlagen verkauft. Lieferpläne aus dem letzten Jahr. Nichts wirklich Brisantes. Er hatte einige Fragen beantwortet. Behördengänge erledigt. Den einen oder anderen Stempel besorgt.
Nichts, was er nicht mit seinem Gewissen hätte vereinbaren können.
Dieser Malow war ihm zunächst nicht ganz geheuer gewesen. Aber sein Misstrauen war unbegründet. Josef Hirschmoser wusste nur Gutes über den Mann zu sagen. Und was Malow von ihm wollte, war nichts Verbotenes. Als Malow ihm das Geld gebracht hatte, war das Misstrauen dann zurückgekehrt. Zusätzlich zur vereinbarten Summe brachte Malow ein Geschenk mit.
Eine Schusswaffe.
Wer verschenkt Schusswaffen? Doch Malow hatte ihm erklärt, dass er früher bei der russischen Armee gedient hätte und dass es dort alter Brauch sei, einem neuen Freund eine Waffe zu schenken. Die Dinger könne man in Russland an jeder Straßenecke kaufen. Man wisse ja nie, hatte Malow gesagt, wann man in eine Situation kommt, in der man sich verteidigen müsse. Er erklärte ihm die Waffe und sagte, er solle
Weitere Kostenlose Bücher