Oktoberfest
geübt. Von einem echten Einsatz der Ausrüstung und der Maschinen ganz zu schweigen. Ich befürchte eben«, Kroneder senkte die Stimme, »dass sich die Herren Verantwortlichen noch immer Illusionen machen, was die Entschlossenheit und die Professionalität der Täter angeht. Aber das bleibt unter uns.« Er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf die gewaltige Radarantenne, die sich schwarz und bedrohlich über dem Benediktiner-Zelt drehte.
»Sehen Sie sich das da nur mal an. Das ist eigentlich unmöglich.«
Ulgenhoff nickte grimmig. »Da haben Sie verdammt recht. Mit Verlaub, man kann wohl sagen, dass die Leute, die das Benediktiner-Zelt besetzt halten, uns ganz schön …«
»In den Arsch getreten haben«, vervollständigte Alois Kroneder den Satz.
»Und zwar mit Anlauf«, setzte Ulgenhoff hinzu.
22:00 Uhr
Der Ministerpräsident hatte eine Entscheidung getroffen. In der letzten Stunde war in unterschiedlicher Besetzung ständig beratschlagt worden. Vor allem ging es um eine Risikoabschätzung. Die war jedoch eigentlich gar nicht möglich. Die Tatsache, dass es nicht gelungen war, Bilder aus dem Benediktiner-Zelt zu bekommen, war einfach beiseitegewischt worden. Technisches Versagen. Schließlich hatten sich dann der Innenminister und der Präsident des LKA gegen die Skepsis des Oberbürgermeisters durchgesetzt. Die Argumentation der Befürworter des Einsatzes basierte in erster Linie auf der Annahme, dass es nur geringe Mengen von Giftgas in den Zelten gab. Wenn überhaupt.
Der Ministerpräsident legte soeben den Telefonhörer auf. Er wandte sich an die versammelten Herren. »Ich habe den Einsatzbefehl gegeben.« Als er weitersprach, klang seine Stimme plötzlich rauh. »Die Schwarze Madonna von Altötting stehe uns bei.«
*
Im Benediktiner-Zelt war alles ruhig. Keine rebellierenden Geiseln, keine Nervenzusammenbrüche. Bis jetzt. Die Kühle der Nacht war durch das offene Dach ins Zelt gedrungen. Dann waren die Heizdrähte, die in den Zeltplanen der Außenwände verlegt waren, angeschaltet worden.
Auf den Bildern der Videoüberwachung war der gepanzerte Grenzschutzwagen mit der Infrarotkamera gut sichtbar gewesen.
Inzwischen war es wieder recht warm in dem riesigen Bierzelt. Die Menschen fügten sich in ihr Schicksal. Einige hatten begonnen, sich vorsätzlich zu betrinken. Auch gegessen wurde eine Menge. Vor allem die große und sehr teure Platte mit gemischten Grillschmankerln fand reißenden Absatz.
»Kommen Sie mal zu mir in den Gefechtsstand, General. Ich möchte Ihnen was zeigen. Ich glaube, der Gegner legt los.« Okidadses Stimme erreichte Blochin während einer seiner Patrouillengänge. Dabei sah er in die Gesichter der Geiseln und versuchte, in den Augen ihre Verfassung abzulesen.
»Verstanden, Polkownik Okidadse.« Blochin machte sich mit zügigen Schritten auf den Weg zu seinem technischen Offizier.
Dort angekommen, sah er auf die Bildschirme und musste grinsen.
»Wieder mal lagen Sie mit Ihrer Einschätzung richtig, General. Sie haben Kompressoren aufgefahren und bereiten einen Sturm auf das erste Zelt im Eingangsbereich vor. Es geht also um das Zelt der Fischer-Liesl.«
»Wie sieht es denn mit unserem Kompressordruck aus? Haben wir genug Dampf, um die Fischer-Liesl zu erreichen?«
»Ich habe vor zwei Minuten die Hochkompression eingeleitet. Der Druck in den Verbindungsleitungen steht bereits. Wir sind einsatzbereit in T minus fünf Minuten.«
Blochin wandte sich an seinen Weggefährten. Selbst durch den kleinen Sehschlitz, der vorne in der Sturmhaube Blochins Augen freiließ, erkannte Okidadse einen sorgenvollen Zug in der Mimik seines Kommandeurs. Okidadse sah ihn fragend an, sagte jedoch nichts, bis Oleg Blochin zu sprechen begann.
»Ich hatte gehofft, dass wir das vermeiden können.« Blochin zeigte mit einem Finger auf den Bildschirm. Er deutete auf die Schläuche zwischen den wuselnden Polizisten. »Ich hatte gedacht, dass sie uns direkt angreifen. Deren Evakuierungspläne sind doch nutzlos.« Blochin spuckte den letzten Satz verächtlich aus und atmete tief ein. »Jetzt wird die Operation eskalieren. Verschuldet durch die Dummheit und Ignoranz der Verantwortlichen. Wir reagieren nur. Was nun geschieht, wäre vermeidbar gewesen. Ich werde Dr. Kusnezow sagen, er soll den Kampfstoff scharf machen.«
Okidadse nickte langsam und sah seinen Kommandeur an.
Heller Fels.
Blochins Stimme wurde eisig.
»Auslösen, wenn der Gegner mit dem Sturm beginnt!«
22:15 Uhr
Die Scheinwerfer
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