Oktoberfest
einer Geste zum Schweigen.
»Sagen Sie mal, Polkownik Okidadse.« Er wandte sich an den Angesprochenen. »Können wir nicht außerhalb des Zeltes zusätzlich Lampen anbringen, die den Gegner bei einem solchen Angriff blenden würden?«
Okidadse nickte.
»Dann ändern Sie die Baupläne der Verteidigungsanlagen entsprechend.« Blochin senkte die Stimme. »Denn über eines müssen wir uns im Klaren sein: Der Gegner wird uns angreifen. Wir werden um dieses Zelt kämpfen müssen.«
7
A melie Karman hatte einen Coup gelandet. Sie hatte ihren ganzen Mut zusammengenommen und den Chefredakteur in Hamburg angerufen.
Sie sagte ihm, sie sei eine Augenzeugin und deshalb wäre es nur logisch, wenn sie den Artikel schreiben würde. Sie hatte sich Stichpunkte gemacht, die sie dem Chefredakteur vortrug. Der mächtige Journalist war nach anfänglicher Skepsis auf ihren Vorschlag eingegangen.
»Also gut, Frau Karman, Sie sollen Ihre Chance bekommen. Ich will den Text und die Schlagzeile in spätestens eineinhalb Stunden auf meinem Tisch haben. Gutes Gelingen! Ach und …« Der Chefredakteur zögerte kurz. »Sie wissen ja, geben Sie man ordentlich Butter bei die Fische.«
»Ja, ich weiß. Vielen Dank. Sie hören von mir.«
Sie legte auf und wandte sich ihrem Computer zu.
Jetzt zeige ich, was ich kann, dachte sie grimmig. Jetzt mache ich den Verantwortlichen ordentlich Druck.
Das war sie sich nicht nur als Journalistin, das war sie auch Werner schuldig.
Wenn sie an ihren Geliebten dachte, zogen sich ihre Eingeweide vor Sorge zusammen. Sie hatte Sehnsucht nach ihm. Hoffentlich würde ihm nichts geschehen. Wenn sie wenigstens wüsste, wie es ihm gerade geht … Dieses Nichtwissen, diese Hilflosigkeit machten sie fast wahnsinnig.
Doch nun konnte sie etwas tun. Sie konnte die Öffentlichkeit aufrütteln und damit Werner vielleicht helfen. Eine Idee für die Schlagzeile hatte sie schon. Die musste richtig sitzen.
Im Kopf formulierte sie den ersten Satz.
*
Ulgenhoff und Kroneder beobachteten die Situation mit einer Mischung aus Misstrauen und Ungläubigkeit. Starke Scheinwerfer beleuchteten den Schauplatz. Schatten geisterten in weißem Licht.
Sie standen in der Nähe einiger Spezialfahrzeuge der Polizei. Die SEK-Beamten legten bereits ihre Schutzanzüge an, die zuvor noch einmal auf ihre Luftundurchlässigkeit geprüft worden waren. Mit breitem Klebeband wurden die Übergänge an den Handschuhen und an den Stiefeln zusätzlich abgedichtet. Die Anzüge waren aus dickem Kunststoff. Auf dem Rücken war in fluoreszierender Schrift das Wort »Polizei« aufgedruckt. Die unförmigen Kopfbedeckungen waren vorne mit einer großen Plexiglasscheibe versehen. Die Atemgeräte wurden auf den Rücken geschnallt, knapp unterhalb des Schriftzugs.
Etwas abseits standen ein Kompressorwagen und eine Filtereinheit. Zwei Schläuche mit einem Durchmesser von eineinhalb Metern lagen neben den Wagen. Die Schläuche waren wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet. Sie würden sich jedoch über mehrere hundert Meter in die Länge ziehen, wenn die Männer sie zu dem Zelt trugen.
Langsam gingen die beiden Polizisten der Wiesn-Wache den kurzen Weg zu ihrem Dienstgebäude zurück. Ulgenhoff schüttelte den Kopf.
»Wenn das mal gutgeht«, sagte er.
»Ja, vor allem, weil wir ja nicht wissen, wie es in dem Zelt aussieht.«
Vor einer halben Stunde waren die Bilder der Infrarotkameras ausgewertet worden. Mit dem ernüchternden Ergebnis, dass man auf den Aufnahmen nichts erkennen konnte. Der Techniker, der die Abzüge überbracht hatte, konnte sich die Fotos auch nicht ganz erklären. »Wie Sie sehen, sehen Sie nichts«, waren seine Worte, als er die Aufnahmen auf dem Tisch ausbreitete. Nur rötliche Schlieren waren zu erkennen. Die einzig plausible Erklärung für das Versagen der Infrarotkamera war, dass die Außenwände des Zeltes auf irgendeine Art und Weise beheizt worden waren. Auf vierzig Grad, so dass im Inneren des Zeltes keine Konturen erkennbar wurden.
»Die wollen jetzt Frischluft in das erste Zelt hier am Eck pumpen. Dadurch soll die Wirkung von eventuellem Giftgas weitgehend neutralisiert werden.« Die Skepsis in Kroneders Stimme war nicht zu überhören.
»Geübt haben die Kollegen vom SEK den Einsatz oft genug«, gab Ulgenhoff zu bedenken.
»Das mag ja sein«, antwortete Kroneder. »Aber …« Er ließ den Rest seines Einwandes ungesagt.
Ulgenhoff sah seinen Vorgesetzten fragend an.
»Nun ja, sie haben das nie mit richtigem Giftgas
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