Oktoberfest
Hand: Poseidon ist ein Mann ohne Schatten. Und die Ergebnisse rechtfertigen die Aufwendungen voll und ganz.«
Der Verteidigungsminister brach ab und sah zum Fenster hinaus auf den Spreebogen. »Sie kennen Poseidon übrigens schon unter einem anderen Namen.«
»Ach?« Der Kanzler hob fragend die Augenbrauen.
»Poseidon ist der Mann, der die Zerberus-Berichte zu verantworten hat.«
»Die Zerberus-Berichte stammen von Poseidon?« Der Bundeskanzler pfiff ganz leise durch die Zähne.
Er kannte die Dossiers der Quelle Zerberus.
Oftmals war es vorgekommen, dass diese Quelle besser informiert war als die beiden riesigen Behörden in Pullach und Köln zusammen. Zerberus hatte mehrfach erfolgreich bei der Befreiung von deutschen Geiseln im Ausland mitgearbeitet. Afghanistan, Algerien, Indonesien, Kolumbien und der Irak fielen ihm spontan ein. Und ebenso war es Zerberus wiederholt gelungen, sensible Informationen zu beschaffen. Sowohl der Innen- als auch der Außenminister hatten die Quelle mehrfach lobend erwähnt.
»Jetzt wird mir einiges klar.« Der Regierungschef nickte langsam. »Ich werde ihn aber weiterhin als Poseidon ansprechen. Der Name Zerberus darf im Zusammenhang mit dem Oktoberfest niemals fallen.«
»Selbstverständlich, Herr Bundeskanzler. Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, antwortete der Minister servil. Deshalb hatte er ja einen zweiten Decknamen eingeführt. Aber das behielt er besser für sich. Wenn der Kanzler das Gefühl hatte, alle guten Ideen kämen von ihm selbst, dann hatte der nämlich sehr viel bessere Laune.
Da begann das Cryptophone auf dem Schreibtisch plötzlich, die ersten vier Takte der Marseillaise zu spielen.
Der Kanzler sah den Verteidigungsminister überrascht an.
Der Minister zuckte mit den Schultern. »Die Einstellungen werden von der Abteilung A&Ω vorgenommen.«
Der Kanzler grinste, drückte auf den grünen Knopf und hielt sich das Telefon ans Ohr.
»Moment, Moment!«
Der Verteidigungsminister nahm einen verschlossenen Umschlag aus dem Holzkasten und gab ihn dem Regierungschef. »Ihr persönlicher Schlüssel, Herr Bundeskanzler. Über den authentifizieren Sie sich. Prägen Sie sich den Schlüssel ein und vernichten Sie das Papier, das sich in diesem Umschlag befindet.«
Der Bundeskanzler legte das Telefon nochmals kurz aus der Hand.
Mit einem großen Brieföffner, der auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, schlitzte er den Umschlag auf. Er enthielt einen Computerausdruck. Eine fünfstellige Folge von Buchstaben, Satzzeichen und Zahlen.
Der Verteidigungsminister stand noch immer neben dem Schreibtisch. Aber er wandte dem Regierungschef diskret den Rücken zu.
Der Bundeskanzler tippte den Code in den Touchscreen. Er hob das Telefon wieder an sein Ohr. Zunächst hörte er nur ein leises digitales Rauschen. Zweimaliges Knacksen. Dann vernahm er die Stimme des Mannes, den er unter dem Namen Poseidon kannte.
»Herr Bundeskanzler, hier spricht Poseidon. Können Sie mich verstehen?«
»Ja, Poseidon, ich höre Sie. Ich muss schon sagen, einen eigenwilligen Musikgeschmack haben Sie.«
»Wieso denn, Herr Bundeskanzler? Was ist gegen All you need is love von den Beatles einzuwenden?« Der Regierungschef unterdrückte ein Glucksen. Der Mann hatte recht: Die ersten vier Takte der beiden Hymnen waren identisch.
Eine kurze Pause entstand, bevor Härter fortfuhr. »Zur Sache: Ich möchte kurz die Punkte, die mir wichtig erscheinen, zusammenfassen. Haben Sie Zeit? Oder störe ich gerade?«
»Ich habe Ihren Anruf erwartet, Poseidon. Neben mir steht nur der Verteidigungsminister. Wir können reden.«
»Gut. Sehr vieles spricht dafür, dass es sich bei den Tätern um Soldaten handelt. Ehemalige oder noch aktive.«
»Noch aktive?«, unterbrach ihn der Bundeskanzler heftig. »Was meinen Sie damit? Noch aktive?«
»Die Forderung ist so hoch, das würde man sogar im Haushalt eines Staates merken. Zumindest eines kleineren. Ich wollte nur die Möglichkeit nicht ausschließen, dass wir von Truppen eines fremden Landes angegriffen worden sind. Von Truppen, die den Auftrag haben, uns zu bestehlen. Aber wahrscheinlich ist das nicht der Fall. Wahrscheinlich sind das freiberufliche Gewaltspezialisten. Söldner. Meine Abteilung überprüft das gerade. Haben eigentlich die Ermittlungen in Sachen General Henkel was ergeben? Wenn der Verteidigungsminister bei Ihnen ist, dann fragen Sie ihn doch gleich.«
»Moment, bitte.« Der Regierungschef nahm das Telefon vom Ohr. Nachdem er kurz mit dem
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